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Sonderthema

Karl August von Hardenberg
Stationen eines Lebens

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Karl August von Hardenberg

Karl August von Hardenberg war Verwaltungsbeamter, Diplomat, Gutsherr, Lebemann, einer der großen Staatsreformer des 19. Jahrhunderts und einer der führenden Staatsmänner im europäischen Konzert der Großmächte.

Geboren am 31. Mai 1750 im niedersächsischen Essenrode als Sohn des nachmaligen kurfürstlich hannoverschen Feldmarschalls Christian Ludwig von Hardenberg und seiner Frau Anne Sophie Ehrengart wuchs Hardenberg zeitweilig unter der Obhut seines Onkels, des hannoverschen Geheimen Rats und Kriegspräsidenten Friedrich Carl von Hardenberg auf. Die Erziehung, die im Zeichen der Aufklärung stand, wurde von Hofmeistern wahrgenommen, aber Hardenberg besuchte zeitweilig auch das private Lyzeum in Hannover. 1766 schrieb er sich an der Universität Göttingen ein, wo er unter anderem bei Lichtenberg an einem Privatissimum in Mathematik teilnahm.

1768 wechselte Hardenberg nach Leipzig, wo er Gellert hörte und mit seinem Kommilitonen Goethe Bekanntschaft schloss. 1769/1770 beendete Hardenberg seine Studien in Göttingen. 1771 trat Hardenberg in die kurfürstliche Justizkanzlei zu Hannover ein, wechselte aber noch im selben Jahr als Auditor in die Kammer. 1772 begab Hardenberg sich auf seine Kavalierstour.
In Wetzlar lernte er das Reichskammergericht kennen, besuchte Regensburg, Wien, Dresden und Berlin und 1773 die Niederlande sowie den Hof Georgs III. von Großbritannien und Hannover. 1773 wurde Hardenberg zum Kammerrat ernannt. Hardenbergs Vater hatte inzwischen das Gut Löhrstorf bei Heiligenhafen in Ostholstein gekauft. 1774 vermählte sich Hardenberg mit der ebenfalls in Holstein begüterten Gräfin Christiane von Reventlow (1759–1793), wurde königlich dänischer Kammerherr und legte sich den Doppelnamen Hardenberg-Reventlow zu.
Gleichzeitig immer noch Kammerrat in Hannover, musste Hardenberg ausgiebige Revisionsreisen durch das Kurfürstentum unternehmen. In einer Denkschrift von Anfang 1780 finden sich Reformgrundsätze Hardenbergs, die auf eine Durchrationalisierung der Verwaltung Kurhannovers abzielten. Kurz vor Beginn des Bayerischen Erbfolgekriegs machte sich Hardenberg auch Gedanken über ein enges Zusammengehen Hannovers mit Preußen. 1781 siedelten Hardenberg und seine Frau für längere Zeit nach London und Windsor über, in der Hoffnung, eine Karriere in britischen Diensten machen zu können. Stattdessen entstand ein Skandal um die Hardenbergs und den Prinzen von Wales, den späteren Georg IV., da dieser Interesse für Hardenbergs junge Gemahlin gezeigt hatte.

Im Herzogtum Braunschweig
Hardenberg schied aus dem hannoverschen Dienst aus und trat als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Titel Exzellenz in die Dienste des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig. Ganz offensichtlich war Hardenberg als künftiger leitender Minister des Herzogtums in Aussicht genommen. Am 28. Mai 1786 legte Hardenberg dem Herzog eine Reformdenkschrift vor, in der er eine Verwaltungsreform vorschlug. Künftig sollten drei Fachminister an die Spitze der ausführenden Behörden treten und eine enge Verbindung zwischen dem Conseil des Fürsten und der Bürokratie herstellen. In einem reichsrechtlichen Gutachten, das der Herzog bei ihm angefordert hatte, führte Hardenberg aus, dass die Reichsstände das Recht zu Verträgen gegen Kaiser und Reich besäßen, wenn der Kaiser gegen die Fundamentalgesetze des Reiches verstoße. Von jetzt an wurde Hardenberg in die Verhandlungen über den von Preußen geführten Fürstenbund eingeweiht. In einem weiteren Reformprojekt schließlich schlug Hardenberg dem Herzog von Braunschweig vor, dem landeskirchlichen Konsistorium die Schulaufsicht im Herzogtum zu nehmen und diese einem neu zu gründenden Schuldirektorium zu übertragen, dessen Chef er schließlich selbst geworden ist. Das Direktorium sollte dazu dienen, das Bildungswesen im Geist der Aufklärung, wie er von dem Pädagogen Johann Heinrich Campe vertreten wurde, umzugestalten. Am Widerstand der Landstände scheiterte diese Reform, und Hardenberg musste 1790 eine herzogliche Verordnung entwerfen, in der das Schuldirektorium wieder aufgehoben wurde. 1787 hatte Hardenberg seine Scheidung von Juliane von Reventlow eingeleitet, um 1788 seine Jugendfreundin Sophie von Lenthe heiraten zu können. Unzufriedenheit mit den braunschweigischen politischen Verhältnissen und das Aufsehen der Scheidung ließen es Hardenberg geraten erscheinen, sich nach einer neuen Stellung umzusehen.

Minister für die fränkischen Provinzen
Friedrich Anton von Heynitz, ein Pate Hardenbergs, vermittelte die Berufung in den Dienst König Friedrich Wilhelms II. von Preußen, der einen Minister suchte, dem er die Verwaltung der Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth übertragen konnte. Zunächst trat Hardenberg 1790 in die Dienste des Markgrafen Karl Alexander. Schon 1791 aber wurde Hardenberg zum königlich preußischen Staats- und Kabinettsminister ernannt, und aufgrund einer Erbverbrüderung gingen Ansbach und Bayreuth zum 1. Januar 1792 in preußischen Besitz über. Seit 1794 war Hardenberg als Quasi-Gouverneur der fränkischen Provinzen dem König in Berlin unmittelbar unterstellt. Nach den zwei vergeblichen Anläufen in Hannover und Braunschweig bot sich damit für Hardenberg ein drittes Mal die Gelegenheit, seine Reformideen umzusetzen, die in der Zwischenzeit an Klarheit gewonnen hatten. Er arbeitete vor allem daran, eine geschlossene Landeshoheit in den Territorien herzustellen, in denen die Markgrafen von Ansbach und Bayreuth Rechte hatten. Dabei stieß das rationalistische Rechtsverständnis Hardenbergs auf den Traditionalismus der fränkischen Stände. Hardenbergs Vorgehen kam aus traditioneller Sicht teilweise einem Rechtsbruch gleich. Sporteln wurden abgeschafft, das Beamtenwesen nach preußischem Standard verstaatlicht. Franken wurde zu einem Laboratorium des rationalistischen bürokratischen Staates mit straffem Instanzenzug. Hardenberg schuf sein Werk mit einer Mannschaft ehrgeiziger junger Fachleute, unter denen sich einige soziale Aufsteiger befanden, und aus denen er einige der Spitzenbeamten der preußischen Reformzeit rekrutiert hat.
Seit 1792 befand sich Preußen im Krieg mit dem revolutionären Frankreich. Von dem König Friedrich Wilhelm II. wurden Friedensverhandlungen mit Frankreich eingeleitet. Nach dem Tod des bisherigen Unterhändlers wurde Hardenberg nach Basel entsandt, wo er am 5. April 1795 den Separatfrieden zwischen Preußen und der Französischen Republik abschloss. Es gelang ihm dabei, mit Frankreich eine Neutralitätslinie zu vereinbaren, in deren Schutz Preußen und Norddeutschland einen zehnjährigen Frieden genossen, während der Süden weiterhin von den Kämpfen zwischen Frankreich, Österreich und Russland heimgesucht wurde.
Dem preußischen Kronprinzen hat Hardenberg 1796 und 1797 Reformvorschläge zukommen lassen, von denen er hoffen konnte, dass sie nach dem 1797 erfolgten Regierungswechsel durch den neuen Herrscher Friedrich Wilhelm III. umgesetzt werden würden.
1798 wurde zunächst das fränkische Ministerium dem preußischen Generaldirektorium eingegliedert, was zur Folge hatte, dass Hardenberg seine prunkvolle Hofhaltung in Ansbach, in Triesdorf und in der Bayreuther Eremitage aufgeben und nach Berlin übersiedeln musste. Am 1. Juli 1803 schloss Hardenberg mit dem bayerischen Minister Maximilian Graf von Montgelas einen Grenzvertrag, der bestimmte, «alle Gemeinschaft und Vermischung der Rechte und Besitzungen in den beiderseitigen Gebieten dergestalt durchaus aufzuheben», dass keinem Teil mehr innerhalb der Grenzen des anderen irgendwelche Rechte zustehen würden.

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Allemal umweht Schloss Neuhardenberg ein Genius Loci, der sich auch dem flüchtigen Gast in dem Ensemble aus klassizistischen Gebäuden und englisch inspirierter Parklandschaft erschließt. Er erlebt hier eine Architektur und Parklandschaft gewordene Vorstellung eines anderen Preußens, jenseits des Tschingderassabums wilhelminischer Observanz: Reverenz vor der Nobilität des Kargen und der Schönheit des Unverzierten, Lakonischen. Bauherr von Schloss Neuhardenberg war schließlich ein preußischer Staatsmann und Reformer: Karl August Fürst von Hardenberg war der Besitz 1814 von König Friedrich Wilhelm III. geschenkt worden. Hardenberg beauftragte Karl Friedrich Schinkel damit, das ursprünglich spätbarocke Landschlösschen in ein klassisches Palais umzubauen; den Landschaftspark ließ der Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné anlegen, unterstützt von Hermann Fürst von Pückler-Muskau.

Außenminister in Preußen
Da Hardenberg den Rang eines Kabinettsministers innehatte, was traditionell auch die Zuständigkeit für die Außenpolitik einschloss, war es keine Überraschung, dass Hardenberg nach dem Tod der beiden älteren Kabinettsminister und dem Rückzug des verbliebenen, des Grafen von Haugwitz, ab August 1803 auch in die große Politik eintrat. Der Form nach blieb Hardenberg dabei ein Vertreter des Grafen von Haugwitz. Hardenberg amtierte von August bis Oktober 1803 und von April 1804 bis April 1806. In diesem Zeitraum erwarb er sich den Ruf eines entschlossenen Napoleongegners und Anhängers eines Bündnisses mit England. Sowohl Frankreich als auch die Zweite (1799) und die Dritte Koalition (1805) umwarben Preußen mit Bündnisangeboten.
Hardenberg ebenso wie Haugwitz war sich bewusst, dass die Mittellage für Preußen verhängnisvolle Konsequenzen haben konnte. Es drohte auf jeden Fall zum Kampfplatz zu werden. Jedoch wünschte sich König Friedrich Wilhelm III. nichts sehnlicher, als sein Land aus den Händeln der Welt herauszuhalten. Als Kaiser Alexander I. von Russland damit drohte, die preußische Neutralität zu verletzen, rief der König Haugwitz zurück und ordnete an, dass Hardenberg und Haugwitz nunmehr gemeinsam die Außenpolitik zu verwalten hätten. Bei einem Besuch Alexanders in Potsdam konnte die Krise beigelegt werden. Alexander vermied dabei jeden Umgang mit Haugwitz und wandte sich demonstrativ nur an Hardenberg. Der preußisch-russische Vertrag vom 3. November 1805 bestimmte, dass Preußen die bewaffnete Vermittlung zwischen Frankreich und der Koalition übernehmen würde. Sollte Frankreich die zwischen Preußen und den Alliierten vereinbarten Bedingungen nicht annehmen, würde Preußen sich der Koalition anschließen. Haugwitz wurde zu Napoleon entsandt, um diese Vermittlung auszuführen. Er kehrte jedoch aus Schönbrunn, wo er Napoleon getroffen hatte, mit einem Allianztraktat zurück, der Preußen an Frankreich band. Als Beute sollte Preußen Hannover erhalten.
Unter dem Vorsitz des Königs beschloss eine Konferenz, an der auch Hardenberg teilnahm, im Januar 1806, dass die preußische Armee, die seit Monaten auf dem Kriegsfuß stand, wieder demobilisiert werden sollte, da die Kosten der Mobilmachung nicht mehr vertretbar zu sein schienen. Infolgedessen war man wehrlos, als Haugwitz, der nach Paris entsandt worden war, um den Vertrag von Schönbrunn nachzubessern, stattdessen mit noch schlechteren Bedingungen zurückkehrte. Unter anderem musste Preußen seine Häfen der britischen Schifffahrt verschließen, was Großbritannien mit der Kriegserklärung an Preußen beantwortete. Napoleon andererseits ließ wissen, dass er mit einem Preußen, das von Hardenberg vertreten wurde, nicht verbündet sein könne. Hardenberg ließ sich deshalb am 30. März 1806 beurlauben, vereinbarte aber mit dem König, dass er von seinem 1800 erworbenen Gut Tempelberg in der Mark aus einen geheimen Briefverkehr mit St. Petersburg unterhalten werde, während Haugwitz Napoleon bei guter Laune halten sollte. Der König hatte bereits kein Vertrauen in das französische Bündnis. Gemeinsam mit dem Freiherrn vom Stein begann Hardenberg, ab Frühjahr 1806 für eine Änderung im Regierungsstil Friedrich Wilhelms III. zu kämpfen. Die Regierung «aus dem Kabinett» bedeutete bisher, dass der Monarch von den meisten Ministern isoliert war und von Kabinettsräten als «Ministern hinter der Gardine» gelenkt werden konnte, die ihrerseits der Öffentlichkeit gegenüber nicht verantwortlich waren. Stattdessen sollte der König mit einem «Conseil» regieren, wie Hardenberg es schon 1797 dem Kronprinzen vorgeschlagen hatte.
Die unglückliche Schaukelpolitik Preußens zwischen Ost und West wurde von Hardenberg, Stein und einigen Mitstreitern auch auf den Regierungsstil zurückgeführt. Anders als Stein verzichtete Hardenberg jedoch darauf, den König in Denkschriften über seine Umgebung aufzuklären, sondern suchte Einfluss über die Königin Luise zu nehmen, die ihm schon damals sehr gewogen war. Die aus Paris eingetroffene Meldung, Napoleon wolle Preußen die hannoversche Beute wieder entreißen, um einen Frieden mit England vorzubereiten, bestimmte Friedrich Wilhelm III. dazu, erneut die Mobilmachung anzuordnen. Am 12. Oktober 1806 erfuhr Hardenberg, der sich in Tempelberg aufhielt, dass der Krieg zwischen Preußen und Frankreich begonnen hatte; am 17. erreichte ihn die Nachricht von der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt. Hardenberg verließ Tempelberg und schloss sich der Flucht des Hofes an, die erst in Königsberg zur Ruhe kam. Dort entschied sich der König, künftig mit einem Conseil regieren zu wollen, in dem Hardenberg Innen- und Stein Außenminister werden sollten. Dieses Conseil kam jedoch, unter anderem wegen des Zerwürfnisses zwischen dem König und Stein, niemals zustande. Hof und Regierung flohen weiter nach Memel. Nach einem Intermezzo mit dem Obersten Zastrow als Außenminister wurde Hardenberg im April 1807 zum Ersten Kabinettsminister ernannt, dem der König weitreichende Vollmachten verlieh, und der auch wieder für die Außenpolitik zuständig war. Hardenberg stand nun dem König zur Seite, bis in Tilsit der Friede zwischen Preußen und Frankreich geschlossen wurde. Napoleon gab zu erkennen, dass Hardenberg nicht tragbar sei. Bei Gelegenheit seines heimlichen Abschieds trug ihm der König am 11. Juli 1807 auf, seine Ansichten über die künftige Politik und Verwaltung Preußens darzulegen, eine Aufgabe, deren sich Hardenberg mit der auf den 12. September 1807 datierten Denkschrift von Riga entledigt hat.

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Hardenberg-Denkmal Berlin (Modell)

Im erzwungenen Ruhestand
Von Riga aus plante Hardenberg nach Dänemark überzusetzen, um auf den Gütern seines inzwischen in den dänischen Staatsdienst eingetretenen Sohnes aus erster Ehe, Lehnsgraf Christian Heinrich August von Hardenberg-Reventlow, das Exil zu verbringen. Jedoch hatte der Sohn es übel genommen, dass Hardenberg am 19. Juni 1807 seine dritte Ehe mit seiner bisherigen Mätresse, der Schauspielerin und Sängerin Charlotte Schönemann, eingegangen war. Hardenberg verzichtete auf die Reise nach Dänemark und hielt sich stattdessen zuerst in Riga als Gast eines befreundeten Ban­kiers und ab Februar 1808 in Tilsit auf. Am 11. November 1808 traf er sich heimlich mit dem König in der Nähe von Königsberg und riet ihm, sich vom Freiherrn vom Stein zu trennen, der als Hardenbergs Nachfolger ein Jahr lang Premier­minister Preußens gewesen war. Stein hatte jedoch Aufstandspläne gegen Napoleon ventiliert, was dessen Spitzeln bekannt geworden war. Hardenberg stellte dem König eine neue Ministerliste zusammen; in dem neuen Ministerium sollte Hardenbergs Lieblingsschüler aus der fränkischen Zeit, Karl Sigmund Freiherr vom Stein zum Altenstein, das Finanzressort erhalten. Am 10. Dezember 1808 traf, nach mehr als zwei Jahren, das Ehepaar Hardenberg wieder in Tempelberg ein. Hardenberg kaufte und verkaufte sowie tauschte weiterhin seine Güter; aus finanziellen Engpässen befreiten ihn Hilfen aus der Staatskasse.

Ernennung zum Staatskanzler
Nachdem das Ministerium Dohna-Altenstein sich als unfähig erwies, den regelmäßigen Transfer der Kontribution an Frankreich zu gewährleisten, forderte der König von Hardenberg ein Finanzgutachten an. Inzwischen signalisierte Napoleon, dass er gegen eine Rückkehr Hardenbergs in den Staatsdienst keine Einwände mehr habe, und so wurde Hardenberg mit Kabinettsorder vom 4. Juni 1810 zum Staatskanzler ernannt. Er schien die beste Gewähr zu bieten, dass Preußen seine Verpflichtungen gegenüber Frankreich einhalten konnte. Hardenberg erhielt kein festes Gehalt, sondern die Erlaubnis, sich «das Notwendige» aus der königlichen Kasse selbst zu bewilligen. Außerdem wurde geregelt, dass Hardenberg das Recht erhalten sollte, bei jedem Vortrag im Kabinett zugegen zu sein. Der Staatskanzler hatte fortan die Möglichkeit, den Umgang der Minister mit dem König zu kontrollieren. Im Herbst 1810 erschienen die ersten Edikte, die erkennen ließen, mit welcher Energie Hardenberg jetzt das napoleonische Konzept einer Bündelung aller Kräfte und Kompetenzen in einer Hand – hinter der Fassade des weiter bestehenden monarchischen Absolutismus – auf Preußen anzuwenden gedachte: Am 27. Oktober kam die noch in Steins Amtszeit konzipierte, jetzt aber charakteristisch umgearbeitete «Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden» heraus, dazu mit dem Datum desselben Tages das von Hardenberg selbst formulierte Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben u.s.w.
Von zentraler Bedeutung war die im Finanzedikt angekündigte «vollkommene Gewerbe-Freiheit». Sie erschien als die Voraussetzung, um ein stetiges Wirtschaftswachstum in Gang zu setzen, das wiederum für die Überwindung der Finanzmisere und die Wiederherstellung einer Handlungsfähigkeit des Staates erforderlich schien. Ebenfalls findet sich im Finanzedikt das erste der sogenannten «Verfassungsversprechen» des Königs von Preußen. Im neuen bürgerlichen Zeitalter würde nur der Staat dauerhaft Zugang zu finanziellen Ressourcen erhalten, der in irgendeiner Form von Parlamentarismus seinen Steuerzahlern sowie den Zeichnern seiner Staatsanleihen Einblick in sein Finanzgebaren gewähren würde. Aus solchen Ahnungen heraus berief Hardenberg 1811 eine Versammlung von Notabeln der Monarchie, die über Einzelheiten des Steuersystems beraten sollte, und ließ 1812 sogar eine «interimistische Nationalrepräsentation» aus gewählten Abgeordneten zusammentreten, deren Tätigkeit allerdings in den Schatten der Befreiungskriege geriet und eingestellt wurde.
Die zwei wichtigsten Agrarreformgesetze, die sich mit Hardenberg verbinden: das Regulierungsedikt und das «Edikt zur Beförderung der Land-Cultur», stammen vom 14. September 1811. Im Regulierungsedikt war vorgezeichnet, wie die Bauern, die die Verfügung über ihr Land mit ihren Gutsherren hatten teilen müssen, zu freien Eigentümern ihres Bodens werden konnten. Schließlich sollte das «Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate» vom 11. März 1812 nicht vergessen werden, das die Konsequenz aus der Tatsache zog, dass in einer Gesellschaft, die die Ständeschranken aufhob, auch für eine sonderständische Gruppe, wie sie die Juden bislang dargestellt hatten, als Gruppe kein Platz mehr war, die Juden mithin zu Staatsbürgern gemacht werden mussten. Das Jahr 1811 war außerdem mit außenpolitischen Überlegungen ausgefüllt. Je mehr sich die Entfremdung zwischen Frankreich und Russland abzeichnete, desto drängender wurde die Frage, wie sich Preußen zwischen den beiden Kolossen positionieren sollte. Nach langer Unentschiedenheit sprach sich Hardenberg für einen unzweideutigen Anschluss an Russland aus, während Friedrich Wilhelm III. die Meinung vertrat, Preußen müsse sich auf die Seite Frankreichs schlagen, da Russland sich seit Tilsit nicht so verhalten habe, wie man es von einem Vertrauen erweckenden Verbündeten erwarten müsse. Der König setzte sich mit seiner Ansicht durch, und am 24. Februar 1812 wurde der französisch-preußische Allianzvertrag in Paris unterzeichnet.

Zeitgenossen über Karl August Hardenberg
In der Erinnerung der Zeitgenossen und der Nachwelt war Karl August von Hardenberg ein stattlicher Mann, hoch gewachsen und von anmutigen Bewegungen. Ernst Moritz Arndt schildert ihn als einen Mann mit einem schönen Kopf und leuchtenden blauen Augen. Die zeitgenössischen Porträts, etwa das Tischbein zugeschriebene oder das von Lawrence, zeigen einen aristokratischen Kopf mit offenem, der Außenwelt zugewandtem Blick. Selbstbewusst strahlen seine Augen Gelassenheit, Wohlwollen und Freundlichkeit aus. Seine Züge verraten waches Interesse an allem, was um ihn herum vorging.
Er wirkt bäuerlich fest und stark. Sein Mund lässt Sinnlichkeit, Freude am Genießen und die Neigung zur Ironie, aber auch die Offenheit für Spaß und Humor erkennen. Mehrere Zeitgenossen, wie Amalie von Beguelin oder Wilhelm Dorow, rühmen die natürliche Vornehmheit seines Auftretens mit folgender Gedankenfigur: Selbst wenn er im Schurzfell und in den Zeichen eines Handwerkers ins Zimmer träte oder beim Diner, allen völlig unbekannt, als Diener hinter dem Stuhl eines geladenen Gastes stünde, würde man ihn doch als Edelmann erkennen, würde aufstehen, sich verneigen und ihn bitten, an der Tafel Platz zu nehmen.
Der Berliner Bischof Friedrich Eylert beschreibt Hardenbergs Stimme: sonor und wohlklingend, die Sprache langsam, ruhig, bedächtig und verständlich – aber keineswegs imponierend diktatorisch, und gehalten im Tone der Konversation.

Befreiungskriege und Wiener Kongress
Am 2. Januar 1813 erfuhr Hardenberg davon, dass der preußische General Yorck in Tauroggen die Neutralisierung des an Frankreichs Seite im Krieg gegen Russland stehenden preußischen Korps vereinbart hatte. Yorck drängte den König dazu, weiter zu gehen und sich gegen Napoleon zu wenden. Erst als feststand, dass Russland nach Erreichen der schlesischen Grenze bereit war, den Krieg fortzusetzen, konnte sich auch ein preußischer Entschluss bilden, in diesen Krieg mit aller Macht einzutreten. Während der nun folgenden Kriegsmonate zog Hardenberg mit dem alliierten Hauptquartier durch Deutschland und Böhmen. Am 20. Oktober 1813 besuchte er das Schlachtfeld von Leipzig. In Frankfurt am Main setzte sich Hardenberg während des November und Dezember 1813 dafür ein, den Feldzug in das Innere Frankreichs hinein fortzusetzen. Am 9. März 1814 unterzeichnete Hardenberg die preußische Beitrittserklärung zur Allianz von Chaumont, mit der sich die Großmächte einschließlich Englands verpflichteten, auf zwanzig Jahre gegen alle Versuche Frankreichs, das Gleichgewicht zu stören, zusammenzuhalten. Schon im April 1814 entwarf Hardenberg auch die Grundzüge der späteren deutschen Bundesakte. Nachdem am 30. Mai 1814 der Erste Friede von Paris unterzeichnet worden war, reiste Hardenberg mit dem König und den übrigen Staatsmännern der Siegermächte nach London. Unterwegs wurde ihm das am 3. Juni 1814 in Paris ausgestellte Diplom Friedrich Wilhelms III. ausgehändigt, in dem Hardenberg in den erblichen Fürstenstand erhoben wurde. (Am 11. November, auf dem Wiener Kongress, machte der König den Fürsten Hardenberg zum erblichen Standesherrn auf den Gütern Quilitz, Rosenthal und Lietzen, die unter dem Namen Neuhardenberg zusammengefasst wurden. Mit Karl Friedrich Schinkel als Architekten und seinem zweiten Schwiegersohn, dem Grafen Pückler, als Gartenplaner hat Hardenberg später seine Besitzung in ein Kleinod klassizistischer Baukunst verwandelt.)
Nach Berlin heimgekehrt, empfing Hardenberg den Besuch seines Sohnes Christian, der als Bevollmächtigter des Königs von Dänemark am 25. August 1814 mit ihm den Frieden zwischen Preußen und Dänemark abschloss, auch «Hardenberg’scher Familien­frieden» genannt. Kurz darauf brach Hardenberg nach Wien auf, um zusammen mit Wilhelm von Humboldt Preußen auf dem dortigen Kongress zu vertreten. Der ebenfalls teilnehmende König legte sich in Wien auf eine blinde Unterstützung des Zaren Alexander fest und Hardenberg musste sich von diesem zurechtweisen lassen. Den schließlichen Kompromiss in der polnisch-sächsischen Streitfrage handelte dennoch Hardenberg mit dem britischen Außenminister Lord Castlereagh aus. Um nicht neben den süddeutschen Staaten mit leeren Händen dastehen zu müssen, wollte Hardenberg in Wien auch den Entwurf einer preußischen Verfassung ausarbeiten lassen, musste sich aber schließlich damit begnügen, dem König ein neues Verfassungsversprechen abzuringen, das Friedrich Wilhelm III. am 22. Mai 1815 vollzogen hat. Am 9. Juni 1815 unterzeichnete Hardenberg die Wiener Kongress-Akte und kehrte nach Tempelberg zurück, von wo er bald wieder aufbrach, um nach Napoleons endgültiger Niederwerfung den Zweiten Pariser Frieden zu schließen. Kurzzeitig kam es in Paris zu einer schweren Autoritätskrise Hardenbergs gegenüber dem preußischen Militär, die vom König durch die Auflösung des Oberkommandos der preußischen Frankreicharmee beigelegt werden musste.

Hardenberg als Reformer
Karl August Freiherr von Hardenberg gilt heute als einer der großen Staatsreformer des 19. Jahrhunderts. Er wirkte für das damals revolutionäre Ziel, in eine monarchische Herrschaft elementare demokratische Grundsätze einzubringen, um zur Belebung von Gemeingeist und Bürgersinn beizutragen – hochaktuell heute in Zeiten zunehmenden politischen Desinteresses und rückläufiger Wahlbeteiligungen.
Von Hardenberg ging in die preußisch-deutsche Geschichte als ein Untertan mit Eigenwillen ein. Man rechnet ihn zu den Politikern, die über Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß verfügen. Nach Meinung des Soziologen Max Weber (1864–1920), der 1919 einen berühmten Vortrag mit dem Titel Politik als Beruf hielt, gibt es «zwei Arten, aus der Politik seinen Beruf zu machen. Entweder: man lebt ‹für› die Politik – oder aber: ‹von› der Politik.» Kein Zweifel, von Hardenberg lebte nicht von dem, sondern für das, was er als notwendig erkannte.

Das unvollendete Reformwerk
Der endlich wiederhergestellte Frieden ließ Hardenberg auf sein unvollendetes Reformwerk zurückkommen. Die Steuergesetzgebung war abzuschließen, das bedrohliche Haushaltsdefizit musste ausgeglichen werden, die Verwaltungsgliederung war zu vollenden, und als Schlussstein des Reformwerks blieb immer noch die Verfassungsgebung offen. Das Zollgesetz von 1818, das Hardenberg durch die Beratungen des preußischen Staatsrats brachte, schuf um die Monarchie eine einheitliche Zollaußengrenze, während Binnenzölle aufgehoben waren. Es stellte eine wichtige Voraussetzung des späteren Zollvereins dar. Im Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820 brachte Hardenberg ein weiteres königliches Verfassungsversprechen unter. Weitere Schulden sollten nur noch unter Zustimmung neu zu berufender «Reichsstände» aufgenommen werden können.
Das Klima wurde jedoch den Reformen immer ungünstiger. Um sich im Amt zu halten, musste Hardenberg mehr und mehr dem Drängen Metternichs auf Repression gegen die liberale Opposition unter Studenten und Intellektuellen nachgeben. Ausgerechnet die reformorientierten Minister in der preußischen Regierung – Wilhelm von Humboldt und Karl Friedrich Beyme – protestierten gegen die mit der Demagogenverfolgung verbundene Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Zusammen mit dem Kriegsminister Hermann von Boyen wurden sie 1819 entlassen. Damit hatte sich Hardenberg zwar eines möglichen Rivalen um das Staatskanzleramt – Humboldts – entledigt, musste aber auch eine Schwächung seiner eigenen Position hinnehmen. Auf den europäischen Kongressen von Aachen (1818), Troppau (1820), Laibach (1821) und Verona (1822) konnte Preußen, das durch Hardenberg repräsentiert wurde, keine starke Position behaupten. Preußens Haushaltsdefizit erlaubte es nicht, an den auf diesen Kongressen beratenen gegenrevolutionären Interventionen teilzunehmen. Teilweise musste Hardenberg auch für die Unlust Friedrich Wilhelms III. geradestehen, an den Kongressen überhaupt teilzunehmen. Während einer von Laibach aus angetretenen Romreise Hardenbergs arbeitete eine vom König eingesetzte Kommission zur Prüfung der Reformgesetze einen Bericht aus, der das Datum des 21. März 1821 trug und dem König vorschlug, von einer Verfassung für den preußischen Gesamtstaat vorläufig Abstand zu nehmen.
In Rom zeigte sich Hardenberg als beflissener Bildungsreisender, jedoch konnte er auch einen diplomatischen Erfolg verzeichnen, als er sich mit der römischen Kurie über die Einteilung der Bistümer in den Grenzen von 1815 und über die materielle Ausstattung der katholischen Kirche einigte. Die Vorarbeiten hatte der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Barthold Georg Niebuhr, geleistet. Hardenbergs dritte Ehe litt darunter, dass er sich eine junge Frau namens Friederike Hähnel ins Haus genommen hatte. Sie hatte sich als «somnambules Medium» empfänglich erwiesen für die Therapiemethode des «tierischen Magnetismus», der von Franz Anton Mesmer entwickelt worden war und durch Hardenberg im preußischen Medizinsystem protegiert wurde. Am 24. Juni 1821 verließ die Fürstin Hardenberg ihren Gemahl für immer. Am 11. Juni 1821 teilte Friedrich Wilhelm III. Hardenberg mit, dass er sich statt Reichsständen vorläufig mit ständischen Repräsentationen für die einzelnen Provinzen begnügen wollte. Die Zusammenberufung der Reichsstände wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Sie fand erst unter dem Druck der Revolution von 1848 statt.
Es scheint, als hätte Hardenberg bis zum Ende seines Lebens vorgehabt, für sein Verfassungswerk zu kämpfen. Doch hatten seine Kräfte bereits bedenklich nachgelassen, und während die außenpolitischen Verwicklungen Hardenberg weiter beanspruchten, wich der König dem Verfassungsthema möglichst aus. Am 15. Oktober 1822 traf Hardenberg zum Kongress in Verona ein. Wesentliche Beschlüsse setzte er nicht mehr durch. Von Verona aus reiste Hardenberg nach Mailand, wo er an einem fieberhaften Katarrh und schwerem Asthma erkrankte. Man brachte ihn nach Genua, damit das Klima den Atemwegen günstiger sein sollte. Hier ist Hardenberg am 26. November 1822 gestorben. Der König erfuhr davon, als er sich gerade in Neapel aufhielt. Sein Kommentar gegenüber dem Kronprinzen lautete, dass Hardenbergs schwache Seiten seit einigen Jahren auf die Angelegenheiten des Staats einen nachteiligen Einfluss hervorgebracht hätten. Der Freiherr vom Stein dagegen nahm Hardenbergs Tod zum Anlass, der preußischen Monarchie zu «gratulieren». Hardenbergs Wohn- und Diensträume wurden versiegelt, seine Papiere vom König beschlagnahmt. Er wurde in Neuhardenberg beigesetzt, wo sich sein einbalsamiertes Herz auf dem Altar der Dorfkirche befindet.

Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann

 

Karl August Fürst von Hardenberg
Preußischer Reformer
Zeittafel

1750 Am 31. Mai in Essenrode (Niedersachsen) geboren.
1766–1770 Studium an den Universitäten Göttingen und Leipzig.
1771 Beginn der Berufstätigkeit an der kurfürstlichen Justizkanzlei zu Hannover, dann als Auditor in der Kammer.
1773 Ernennung zum Kammerrat in Hannover.
1780 Veröffentlichung einer Denkschrift zur Reform der hannoverschen Verwaltung.
1781 Aufenthalt in London.
1782 Übertritt in die Dienste von Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig.
1790 Minister des Markgrafen von Ansbach und Bayreuth.
1791 Königlich preußischer Staats- und Kabinettsminister und Gouverneur von Ansbach und Bayreuth.
1795 5. April: Preußischer Bevollmächtigter beim Frieden von Basel zwischen Frankreich und Preußen.
1803–1806 Mit Unterbrechungen preußischer Außenminister.
1807 12. September: Vollendung der Denkschrift von Riga für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen: Demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung.
1810 Ernennung zum preußischen Staatskanzler.
1814 Erhebung in den erblichen Fürstenstand und Ausstattung mit der Dotation Neuhardenberg.
1814/1815 Preußischer Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongress.
1819 Vorschlag einer Verfassung für die preußische Monarchie an Friedrich Wilhelm III.
1822 Preußischer Bevollmächtigter auf dem Kongress von Verona; 26. November 1822 in Genua gestorben; beigesetzt in Neuhardenberg.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.staatskanzler-hardenberg.de