Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №17/2009

Wissenschaft und Technik

Die Kunst des Tötens

Wie hat die Menschheit vor 1000 Jahren das Kriegführen perfektioniert? Die Chinesen nutzten schon damals Schwarzpulver, die Byzantiner Flammenwerfer – doch die wichtigsten Neuerungen waren eher unscheinbar. Hufeisen und Steigbügel revolutionierten den Kampf.

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Türkische Truppen im Jahr 1453: Wohl nur eine Macht der Welt setzt auf moderne Kriegstechnik wie auf die ungemein wirkungsvollen Panzerreiter: Byzanz. Im Jahr 1453 aber besiegeln türkische Truppen das Ende der Byzantiner.

Die wohl folgenreichste Umwälzung des Kriegshandwerks am Ende des ersten Millenniums erscheint zunächst wenig spektakulär – denn es ist nur die Kombination mehrerer zum Teil längst bekannter Erfindungen. Doch mit dieser Verbindung entsteht ein neuer Kämpfertyp: der schwer bewaffnete Panzerreiter. Und der beherrscht bald die Schlachtfelder Europas, Nordafrikas und weiter Teile Asiens.
Eine jener simplen Innovationen ist das genagelte Hufeisen, das den Pferdehuf vor Verletzungen bewahrt. So können Reiter nun bei jedem Wetter und auf fast jedem Terrain operieren. Zudem verleiht der aus Asien stammende Steigbügel dem Mann auf dem Pferd deutlich mehr Stabilität.
Weiteren Halt gibt darüber hinaus bald ein neuer Satteltyp mit vorn und hinten weit hochgezogenen Zwieseln, die ein Herabrutschen verhindern und gleichzeitig Unterbauch sowie Rücken schützen. Der Reiter kann nun mit unter den Arm geklemmter Lanze frontal auf den Gegner einstürmen, ohne beim Aufprall abgeworfen zu werden.
Sein Sattel ruht auf einer soliden Holzkonstruktion, wodurch das Gewicht gleichmäßiger auf dem Pferderücken verteilt wird. Der Kämpfer kann so immer dickere und schwerere Rüstungen tragen – zumeist Brünnen aus Leder oder Kettenpanzerhemden, dazu Spangenhelm und Beinschienen und einen Schild sowie Lanze und Langschwert.
Im 10. und 11. Jahrhundert wird die schwere Kavallerie so zur wichtigsten Truppengattung. Mit bis dahin ungekannter Wucht prallen die Panzerreiter auf die feindlichen Scharen. Etwa die Ritter des deutschen Königs Otto des Großen, die am 10. August 955 bei Augsburg die schnellen und mit weitreichenden Bögen bewaffneten ungarischen Reiter zurückschlagen und besiegen. Auch die normannische Eroberung Englands entscheiden gepanzerte Krieger zu Pferde, die während der Schlacht von Hastings am 14. Oktober 1066 den Schildwall der Angelsachsen durchbrechen.
In jenem Gefecht im Südosten Englands treten zwei Heere gegeneinander an, die vermutlich jeweils rund 6000 Mann zählen. Das ist aber wenig im Vergleich zu den Armeen, die islamische Herrscher aufbieten und in denen ebenfalls schwer bewaffnete Kavalleristen dominieren: So vermag Mahmud, der Sultan des Ghasnawiden-Reiches mit Zentrum im heutigen Afghanistan, für seine im Jahr 1001 beginnenden Eroberungszüge nach Indien Zehntausende Soldaten zu mobilisieren. Zeitweise unterhält er eine Streitmacht von 54 000 Reitern und 1300 gepanzerten Kriegselefanten.

In China kommen neue Waffentechnologien auf
Und Abu Amir al-Mansur, der Diktator von Córdoba in Spanien, gebietet über 12 000 berittene Kämpfer, die neben Schwertern und Lanzen auch Streitäxte tragen. Die Werkstätten im Kalifat produzieren monatlich bis zu 20 000 Pfeile und 1000 Bögen – Ausrüstung für insgesamt 57 Kriegszüge, die al-Mansurs Heere gegen die christlichen Königreiche im Norden der Iberischen Halbinsel unternehmen.
Anders als in Europa und Asien, wo der Ritter zum entscheidenden Kämpfer wird, entwickeln die Bewohner Mittelamerikas eine ganz andere Art der Kriegsführung – denn auf dem gesamten Kontinent gibt es kein Tier, das wie Pferd oder Elefant einen Krieger tragen könnte.
Auch hier steigen neue Machtzentren wie die Maya-Stadt Chichén Itzá auf der Yucatán-Halbinsel dadurch auf, dass sie ihre Nachbarn mit Krieg überziehen. An der Brutalität dieser Feldzüge lassen die auf Tempelwänden dargestellten Schlachtszenen keinen Zweifel: Sie zeigen Streitende, die einander mit Speeren und Speerschleudern, Äxten und Obsidianmessern attackieren.
Doch indianische Völker wie die Maya kämpfen zumeist mit kleinen Infanterieeinheiten; selten ziehen sie Heere von mehreren Tausend Mann zusammen. Die Fußsoldaten operieren nur über kurze Entfernung, da sie sämtliche Ausrüstung und Verpflegung schleppen müssen – denn auch das Rad ist in Amerika unbekannt.
Während Konflikte in Mittel­amerika noch mit simplem Gerät aus Stein, Holz und Pflanzenfasern ausgetragen werden, kündigt sich auf der anderen Seite des Pazifiks bereits das Zeitalter des technisierten Krieges an.
Denn in China werden in jenen Jahrzehnten des Millenniumwechsels erstmals Waffentechnologien angewendet, die das Kriegswesen vollkommen revolutionieren werden – wenn auch erst Jahrhunderte später.
Im Jahr 1044 beispielsweise stellen Wissenschaftler auf Befehl des Kaisers ein streng geheimes Buch zusammen, von dem nur wenige Kopien von Hand abgeschrieben werden dürfen: «Wujing Zongyao», ein «Kompendium der wichtigsten Militärtechniken».
Das Werk beschreibt unter anderem Belagerungsgerät, Flammenwerfer sowie eine Vielzahl von Großarmbrüsten und Katapulten, die manchmal sogar zu Batterien angeordnet sind. Und eine neue, weltweit epochemachende Technik des Tötens: die militärische Nutzung von Explosivstoffen.
Das Kompendium enthält die frühesten überlieferten Rezepte für Schwarzpulver. Die Zutatenlisten führen bereits dessen grundlegende Bestandteile auf: Salpeter, Schwefel und kohlenstoffhaltige Materialien wie etwa Holzkohle. Dazu kommen an­­­dere Ingredienzien wie Wachs oder Kiefernharz. Das Gemisch wird unter anderem zu einfachen, schwach explosiven Brandbomben verarbeitet – oder zu giftigen Rauchbomben, die gegnerische Soldaten aus Mund und Nase bluten lassen: den Vorläufern chemischer Waffen.

Noch sind die Sprengstoffe zu schwach
Doch gegen einen Feind, der in sehr großer Zahl angreift, helfen selbst diese hochmodernen Waffen wenig, denn ihre Sprengkraft ist noch zu schwach. Deshalb ist es für Kaiser Zhenzong im Jahr 1005 sinnvoller, dem Nomadenvolk der Kitan gewaltige Tribute zu zahlen, als weiterhin Truppen gegen deren 200 000 Reiterkrieger in den Kampf zu schicken.
Wahrscheinlich setzen die Chinesen das Schwarzpulver erstmals zu Beginn des 10. Jahrhunderts in Gefechten ein. Später wird es in Bomben von Katapulten abgefeuert, als Brandsatz an Vögel und Ochsen festgebunden oder in handlichen Flammenwerfern aus Bambusrohren entzündet.
Um 1130 entstehen schließlich die ersten metallenen Schusswaffen: Vorboten einer völlig neuen Ära der Kriegsführung, die auch in Europa alles verändern wird. Eine solche Waffe scheint eine auf das 13.  Jahrhundert datierte Figur in einem Tempel in der Provinz Sichuan in den Händen zu halten. Spätestens zu dieser Zeit sind auch bronzene Handgeschütze in Gebrauch.
Wohl nur eine Macht der Welt aber setzt gleichermaßen auf moderne Kriegstechnik wie auf die ungemein wirkungsvollen Panzerreiter: Byzanz. Im Jahr 961 kommt es beim Angriff auf das muslimisch besetzte Kreta zum Zusammenspiel von Marine und Kavallerie, als schwere Reiterei von neuartigen Landungsbooten aus direkt an den Strand der Insel stürmt. Der Bedarf an schwer bewaffneten Panzerreitern, Folge der zunehmend aggressiv ausgerichteten byzantinischen Kriegsführung, nimmt so stark zu, dass normannische, fränkische und deutsche Ritter als Söldner angeworben werden.
Die Oströmer beherrschen zudem bereits seit dem 7. Jahrhundert das «Griechische Feuer»: Diese ölige Masse wird durch Rohre gepumpt, beim Austreten entzündet und aus kurzer Distanz auf den Gegner gespritzt. Das Gemisch, das selbst auf dem Wasser noch brennt, setzt 941 eine Flotte von Angreifern aus Kiew in Brand.
Und so gelingt es Kaiser Basileios II. um das Jahr 1000, Byzanz auf den Höhepunkt seiner militärischen Macht zu führen. Nachdem Basileios die Bulgaren vernichtend geschlagen und das Reich des Zaren Samuel dem seinen einverleibt hat, herrscht der Kaiser über ein Imperium, das sich vom Euphrat bis zur Adria und von Zypern bis nach Süditalien erstreckt.
Für einige Jahrzehnte ist Byzanz nun dank seiner Kriegskunst die bedeutendste Macht der Christenheit.

Von Martin Paetsch

Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de