Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №1/2009

Wissenschaft und Technik

Entdecker, die eigentlich Hochstapler waren

Sie wollen am Nordpol gewesen sein, Indien entdeckt oder alle Ozeane
durchmessen haben – aber sie haben geschwindelt, dass sich die Planken bogen. Einem Gernegroß glaubt noch heute alle Welt.

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Christoph Kolumbus: Bis heute wird er in amerikanischen Schulbüchern «der wichtigste Mensch der Weltgeschichte» genannt. Doch genau besehen war Kolumbus alles andere als ein Ehrenmann. Ein Betrüger, eitel, habgierig, brutal, egozentrisch und erfinderisch, wenn es um seine Vita geht.

Im Jahr 1968 lobt die britische Wochenzeitung «Sunday Times» 5000 Pfund für jenen aus, der am schnellsten nonstop die Welt umrundet. Auch Donald Crowhurst, ein hoch verschuldeter Gelegenheitssegler, nimmt an dem Einhand­yachtrennen Golden Globe entlang den großen Kaps am Antarktischen Ozean teil, das als härtestes seiner Art gilt.
Crowhurst, Vater von vier Kindern, ist 1956 unehrenhaft aus der britischen Luftwaffe entlassen worden und hält sich seitdem mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Auf seinem in letzter Sekunde fertiggestellten, mangelhaft ausgestatteten Trimaran «Teignmouth Electron» verlässt er am 31. Oktober 1968 England mit enttäuschender Geschwindigkeit. Die Funkverbindung mit ihm reißt ab, als er das Kap der Guten Hoffnung erreicht. Für 111 Tage wird nun nichts mehr von ihm gehört. Bis er wieder den Südatlantik erreicht. Er führt jetzt das Rennen an, und es sieht ganz danach aus, als werde er das Preisgeld kassieren. Doch am 10. Juli 1969 wird sein Boot gefunden, verlassen im Atlantik treibend. Nachforschungen ergeben, dass er den Atlantik nie verlassen und mutmaßlich in einem Versteck das Feld der Weltumsegler abgewartet hat. Die genauen Umstände seines Todes bleiben ungeklärt, wahrscheinlich beging er, wahnsinnig geworden, Selbstmord. Klar ist: Durch das Täuschungsmanöver auf hoher See hat er sich Ruhm und Geld erschwindeln wollen.
Bereits Jahrhunderte vor Crowhurst, in einer Zeit, da es weder Radar noch exakte Karten gab und technische Möglichkeiten zur Überprüfung von Seemannsgarn sehr viel geringer waren als heute, wurde auf den Weltmeeren gelogen, was das Zeug hielt. Vor allem Seereisende und Entdecker, aber auch Reiseschriftsteller waren nicht selten raffinierte Täuscher und Fälscher, die ihre Reputation aus reinen Fantasiegebilden bezogen. Waren niemals dort, wo sie vorgaben, gewesen zu sein. Fanden nie das, was sie angeblich entdeckten. Schmückten sich mit fremden Federn oder schmuggelten Gold unter wertloses Gestein. Und jeder hatte seine eigenen Gründe für den Betrug: Geldgier, erhoffter Ruhm oder auch nur, um zu Hause Ärger aus dem Weg zu gehen. Einigen fiel es wahrscheinlich wirklich schwer, zwischen tatsächlich Erlebtem und ihrer ausgeprägten Einbildungskraft zu unterscheiden. Und nicht selten ging es um die Gunst der Königshäuser.

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Kolumbus’ Flotte: Segelt 1492 ins Blaue hinaus und trifft ins Schwarze – ohne es zu wissen. Zuvor hat er so ziemlich alles falsch berechnet, was man nach damaligem Wissensstand falsch berechnen kann.

Kolumbus zum Beispiel. Segelt 1492 ins Blaue hinaus und trifft ins Schwarze – ohne es zu wissen. Zuvor hat er so ziemlich alles falsch berechnet, was man nach damaligem Wissensstand falsch berechnen kann. Kolumbus versteht viel von umlaufenden Winden, aber mit den Breitengraden hat er stets ein Problem. Erstaunliches leistet er vor allem damit, dass er sich selbst den Auftrag des spanischen Königspaars zuschanzt, den Seeweg nach Indien zu finden. Hätte er, seiner eigenen Annahme entsprechend, wirklich bis nach Japan, dem «östlichsten der indischen Lande», segeln müssen, wäre er mit Sicherheit verschollen. Doch dann landet er auf den Bahamas und erklärt ebenso beherzt wie ahnungslos Indien für erreicht. Auf seiner zweiten Reise ist er auch nicht besser orientiert. Diesmal hält er Kuba für asiatisches Festland. Seinem Ruf schadet dies kaum. Bis heute wird er in amerikanischen Schulbüchern «der wichtigste Mensch der Weltgeschichte» genannt. Doch genau besehen war Kolumbus alles andere als ein Ehrenmann. Ein Betrüger, eitel, habgierig, brutal, egozentrisch und erfinderisch, wenn es um seine Vita geht. So unternimmt er alles, um die Tatsache zu vertuschen, dass sein Vater ein armer Wollweber ist. Er spricht von adligen Ahnen und davon, dass er nicht der Erste seiner Familie sei, der als Admiral die Meere befahre. Den Beweis bleibt er schuldig. Nicht wenige nennen ihn dafür einen Lügner.

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Kolumbus und seine Mannschaft auf den Bahamas: Hätte er, seiner eigenen Annahme entsprechend, wirklich bis nach Japan, dem «östlichsten der indischen Lande», segeln müssen, wäre er mit Sicherheit verschollen. Doch dann landet er auf den Bahamas und erklärt ebenso beherzt wie ahnungslos Indien für erreicht.

Der aktuellen Geschichtsforschung ebenfalls nicht standhalten kann die heldenhafte Ausschmückung, mit der er seine Ankunft in Portugal ins beinahe Mythische zu erhöhen versucht: Seegefecht mit Piraten, Feuersbrunst auf der angegriffenen Galeasse, Untergang des Schiffes und Selbsterrettung an die nahe Küste, wo ihn genuesische Landsleute aufnehmen, dies alles entspringt vermutlich weitgehend seiner Fantasie. Die Wirklichkeit dürfte sehr viel weniger aufregend gewesen sein. Aber Kolumbus ist auf Wirkung bedacht. Er muss beeindrucken, wenn er das Geld für seine Expeditionen zusammenkriegen will.
In Portugal sieht man ihn nüchtern: Die Ratgeber des Königs halten Kolumbus für «einen großen Schwätzer, einen Fantasten und Träumer», wie der Hofchronist João de Barros notiert. Die Portugiesen suchen auf der Ostroute um Afrika herum einen Seeweg nach Indien, Kolumbus will es über die Westroute versuchen. Also wirbt er nun beim spanischen Königshaus für seine Pläne.
Dabei kommt ihm zugute, dass er von einer geheimen Weltkarte weiß, die Don Pedro, Bruder des portugiesischen Prinzen Heinrich des Seefahrers, 1428 aus Venedig nach Portugal brachte und auf der unter anderem das Kap der Guten Hoffnung und die Magellanstraße im Süden Südamerikas dargestellt sind. Die spanische Krone kennt jene Karte nicht, und diesen Umstand nutzt er für sich. Kolumbus steht unter Zeitdruck, denn die Ost­route ist die deutlich kürzere, aber fest in portugiesischer Hand. 1488 berichtet ihm zudem sein Bruder aus Portugal, dass es Bartolomeu Dias gelungen ist, das Kap der Guten Hoffnung zu umsegeln. Den Portugiesen steht damit der Seeweg nach Indien offen.

Fortsetzung folgt

Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de