Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №16/2008

Bildung und Erziehung

Rechenschwäche weiter verbreitet als Leseschwäche

Die Meisten werden es schon geahnt haben. Analphabetismus1 ist weniger verbreitet als die Dyskalkulie2. So heißt die sogenannte Rechenschwäche, wenn man sich gewählt ausdrückt. Der Verdacht liegt auch nahe, dass nicht nur die gemeinen3 Leute daran leiden, sondern auch viele Politiker und Manager.
Ob das mit der Rechenschwäche so stimmt, ist zwar nur das Ergebnis einer Studie mit 1500 Kindern in Kuba, die der britische Neurowissenschaftler Brian Butterworth von der University College London durchgeführt hat. Danach haben 3 Prozent der Kinder eine Leseschwäche und 6 Prozent eine Rechenschwäche.
Das bestätigt frühere Studien, macht aber auch deutlich, dass in unserer humanistisch geprägten Kultur die Leseschwäche offenbar noch immer gravierender als die Rechenschwäche angesehen wird, obgleich dies bei aller Förderung von Technik und Naturwissenschaft sowie der Bedeutung der Ökonomie eigentlich seltsam ist. Butterworth meint, viele Menschen würden es nicht bemerken, dass sie nicht rechnen können, aber es gebe eben auch keine Einrichtungen, dies zu lernen, wenn sie dies bemerken.
Allerdings ist es eines, richtig rechnen zu können, und etwas anderes, das Ausgerechnete zu bewerten. Aber das hat weder mit einer Leseschwäche, noch mit der Dyskalkulie zu tun, sondern mit dem, was man Vernunft nennt. Und die könnte ein Gut sein, das noch seltener verteilt ist. Vermutlich ist es leichter, ein Rechenmodul zu entwickeln und als Plug-in4 in das Gehirn zu implantieren als Vernunft. Während das Ergebnis von 1 + 1 eindeutig sein sollte, ist dies bei der Vernunft keineswegs so.

Florian Rötzer

1An|al|pha|be|tis|mus, der; -: Unfähigkeit, zu schreiben u. zu lesen.
2Re|chen|schwä|che, die; -: verminderte Rechenfähigkeit bei ansonsten nicht unterdurchschnittlichem Intelligenzniveau, Dyskalkulie: an einer R. leiden.
3ge|mein <Adj.>: hier: (Bot., Zool., sonst veraltend) keine besonderen Merkmale habend, durch nichts herausragend: die Gemeine Stubenfliege; der -e Mann (der Durchschnittsbürger); er ist -er Soldat (Soldat ohne militärischen Dienstgrad).
4Plug-in, der od. das; -s, -s [zu engl. to plug in = anschließen]: kleines Softwareprogramm, das in eine größere Anwendung integriert werden kann.