Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №6/2010

Wissenschaft und Technik

Wetterfühligkeit

Experten halten Biowetter-Vorhersagen für Unsinn.

Haben Sie in den vergangenen Tagen innere Unruhe gespürt? Hatten Sie Kopfschmerzen? Oder spannten Ihre Narben? Dann könnten Sie wetterfühlig sein – jedenfalls, wenn man den Biowetter-Berichten traut. Experten jedoch halten die meisten dieser Prognosen für puren Unfug.
Etwa die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich selbst als wetterfühlig. Viele Beschwerden schreiben sie der Witterung1 zu, beispielsweise Gelenkschmerzen, Abgespanntheit, Schlafstörungen oder Kreislaufprobleme. Ein Drittel gibt in Umfragen an, mitunter wetterbedingt arbeitsunfähig zu sein. Solche Erhebungen haben Meteorologen zu Biowetter-Prognosen motiviert. Vier von fünf Deutschen bezeichneten die Vorhersagen als «hilfreich» oder «teils hilfreich», heißt es beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
Ob die Prognosen stimmen, ist eine andere Frage. Die meisten hätten eine Glaubwürdigkeit «ähnlich wie Horoskope», sagt etwa Jürgen Kleinschmidt, Experte an der Universität München. «Bürger sollten Biowetter-Vorhersagen komplett ignorieren», meint Jörg Kachelmann vom Wetterdienst Meteomedia. «Vor Koliken, Narbenschmerzen und anderen Beschwerden zu warnen, ist Unsinn», sagt Hans Richner von der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.
Dabei bestreiten die Fachleute nicht, dass das Wetter das Befinden beeinflusst. Allerdings seien nur wenige Einflüsse bewiesen, die meisten Prognosen mithin unhaltbar. Lediglich vier Zusammenhänge gelten als gesichert:
– Pollen bewirken mitunter al­lergische Reaktionen,
– übermäßig viel UV-Strahlung schädigt Hautzellen,
– Ozon kann Atemwegserkrankungen auslösen,
– der «thermische Wirkungskomplex» übt Einfluss auf den Körper aus: Temperatur, Feuchtigkeit und Wind sorgen für Hitze- oder Kältestress. Im Extremfall können Herzinfarkte, Rheumaanfälle oder Unterkühlungen die Folge sein.
«Diese Zusammenhänge kennt jeder intuitiv», sagt Richner. «Wenn es heiß ist, fächeln wir uns Luft zu, bei Kälte suchen wir Windschatten.» Die Warnung vor Kreislaufproblemen bei schwül-heißem Wetter sei etwa so sinnvoll wie eine Warnung vor Nasswerden bei Regen.
Problematischer seien Biowetter-Prognosen, die bestimmte Wetterlagen für konkrete Beschwerden verantwortlich machen. Für eine derartige Wetterfühligkeit «gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Aussagen», sagt Richner, der seit mehr als 40 Jahren die gesundheitlichen Auswirkungen des Wetters erforscht. Selbst das berühmte Phänomen, dass der warme Alpenwind Föhn angeblich Kopfweh auslöse, sei wissenschaftlich nicht bewiesen.

Der eine fühlt sich schlecht, der andere pudelwohl2
Der DWD bemüht sich, seine Biowetter-Prognosen möglichst allgemein zu halten. Lediglich der «Wettereinfluss auf subjektives Befinden» wird vorhergesagt. Der DWD verweist auf Studien, die zeigen, dass Wetteränderungen die körperliche Verfassung beeinflussen. Tatsächlich haben Experimente gezeigt, dass manche Menschen bei einer Wetterverschlechterung über Beschwerden klagen, etwa über Migräne, Asthma oder Diabetes. Hochdruck hingegen wirke sich günstig auf die Gesundheit aus, schreibt der DWD.
Allerdings: Ob der Einzelne den Prognosen folgen soll, erscheint zweifelhaft. «Das Ganze ist ein Problem der Individualisierung», sagt Harald Walach, Bio­wetter-Experte an der University of Northampton in Großbritannien. Wenn manche über Gelenkschmerzen klagten, erfreuten sich andere besonderer Fitness3.
«Eine Minderheit von Menschen zeigt Reaktionen auf Wetterwechsel», ergänzt Meteomedia-Chef Kachelmann. «Die Reaktionen sind aber sehr unterschiedlich, sie treten zudem bei verschiedenen Wetterlagen auf.» Jeder reagiere anders, bestätigt Richner. Resultate entsprechender Studien widersprächen sich «oft diametral» – zwei Personen reagierten teils umgekehrt aufs Wetter.

Erfolgsdruck verzerrt Forschungsergebnisse
Der Erfolgsdruck in der Wissenschaft verzerrt offenbar die Resultate der Studien. Zwar finden Forscher regelmäßig statistische Anzeichen dafür, dass Beschwerden mit bestimmten Wetterlagen einhergehen. Doch die Resultate ließen sich oft nicht wiederholen, sagt Richner, sie «müssten als zufällig betrachtet werden».
Studien der vergangenen Jahre machten etwa Änderungen des Luftdrucks für Wehen bei Schwangeren verantwortlich. Der Effekt schien gut erklärbar – immerhin ändert sich Luftdruck, der beim Übergang von einer Hochdruck- zu einer Tiefdrucklage auf den Körper wirkt, insgesamt um rund eine halbe Tonne. Richner hat jedoch Zweifel: Wer etwa im Auto mäßige Steigungen überwinde, setze seinen Körper ähnlichen Druckschwankungen aus – ohne dass dabei vermehrt Wehen auftreten würden.
Statistisch lasse sich leicht sagen, das Wetter sei schuld gewesen, resümiert Kleinschmidt. «Natürlich will jeder Forscher am Ende einen Effekt darstellen.» Widerlegten Experimente aber eine These, würden die Resultate nicht unbedingt publiziert: «Negative Ergebnisse verschwinden in der Schublade.»
Eine weitere Schwierigkeit der Biowetter-Prognosen sei die «große Zahl von Wetterfaktoren», sagt der britische Fachmann Walach. Laut DWD übt das Wetter eine «Akkordwirkung» aus: Viele meteorologische Einflüsse wie etwa Wind, Feuchtigkeit, Temperatur, Druck, Luftchemie oder Strahlung wirkten gleichzeitig. Das Problem sei zu erkennen, welche Parameter relevant sind.

Was Himbeereis mit Sonnenbrand zu tun hat
Und wie steht es um die viel beschworene Fähigkeit, Wetteränderungen im Vorhinein zu fühlen? Manche Menschen könnten offenbar die Vorboten von Wetterfronten anhand kleiner Schwankungen des Luftdrucks spüren, schrieb der DWD in einem Resümee von 2007. Prallen Luftmassen aufeinander, geraten sie in Wallung. Die atmosphärischen Wellen eilen Wetterfronten voraus. Sie schwingen äußerst langsam, es dauert mehr als fünf Minuten, bis eine Welle durchgelaufen ist. Bei Menschen mit geschwächten oder verengten Blutgefäßen oder mit hohem Blutdruck könnte es dabei zu «Fehlregulationen kommen, welche Wetterfühligkeitssymptome auslösen könnten», so die DWD-Experten.
Tatsächlich haben Experimente von ETH-Forscher Richner gezeigt, dass das Befinden umso schlechter ist, je größer die Luftwellen waren. Richner selbst glaubt jedoch nicht an einen kausalen Zusammenhang: «Vermutlich handelt es sich um eine Scheinkorrelation.»
Die Menschen reagierten wohl schlicht auf miese4 Witterung und nicht auf Luftwellen – denn bei schlechtem Wetter seien die Druckschwankungen am größten. Die Luftwellen mit dem Wohlbefinden in Verbindung zu bringen, ähnele dem Versuch, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Umsatz von Himbeereis und der Anzahl von Sonnenbränden herzustellen. Beide steigen bei schönem Wetter – aber niemand käme auf die Idee, Himbeereis für Sonnenbrand verantwortlich zu machen.

Von Axel Bojanowski

Der Text ist entnommen aus:
http://www.spiegel.de


1 Wit|te|rung, die; -, -en: 1. Wetter während eines bestimmten Zeitraums: eine warme, kühle, feuchte, nasskalte, wechselnde W.; der W. ausgesetzt sein; allen Unbilden der W. trotzen; die Aussaat hängt von der W. ab. 2. (Jägerspr.) a) (von Tieren) Geruchssinn: das Tier, der Hund hat eine feine W.; b) durch den Luftzug mit dem Geruchssinn wahrgenommener spezieller Geruch: W. nehmen, die W. aufnehmen; dem Hund W. geben. 3. a) <Pl. selten> feiner Spürsinn in Bezug auf etw.: eine W. für die Zukunft, für Stimmungsumschwünge; eine sichere W. für etw. besitzen; b) das Wittern: die W. naher Gefahr.

2 pu|del|wohl <Adv.>: in der Wendung sich p. fühlen (ugs.; sich sehr, außerordentlich wohlfühlen).

3 Fit|ness, die; - [engl. fitness, zu: fit, fit]: gute körperliche Verfassung, Leistungsfähigkeit [aufgrund eines planmäßigen sportlichen Trainings]: sich durch Joggen seine F. erhalten; Ü ihre geistige F. ist erstaunlich.

4 mies <Adj.> [jidd. mis < hebr. mĕ´is= schlecht; verächtlich] (ugs.): 1. (abwertend) a) in Verdruss, Ärger, Ablehnung hervorrufender Weise schlecht; unter dem zu erwartenden Niveau: ein -er Job; -es Wetter; eine -e Bruchbude; sie hatte -e Laune; die Bezahlung ist m.; b) von niedriger Gesinnung; gemein, hinterhältig: ein -er Typ; er hat sich ganz m. benommen in der Angelegenheit. 2. (im Hinblick auf die gesundheitliche Verfassung) unwohl, elend: sich m. fühlen.