Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №24/2009

Wissenschaft und Technik

Forscher fertigt zweites Turiner Grabtuch

Es soll den Leichnam Jesu umhüllt haben, doch Kritiker sehen im Turiner Grabtuch nur eine mittelalterliche Fälschung. Jetzt hat ein italienischer Chemiker mit simplen Mitteln eine täuschend echte Kopie des rätselhaften Tuchs hergestellt – und hält es damit für entzaubert.

Eigentlich ist Luigi Garlaschelli Professor für Chemie im italienischen Pavia. Sein Fach ist die Herstellung von Fullerenen, jenen Molekülen aus Kohlenstoffatomen, die von der Struktur her wie Fußbälle aussehen. Neben­beruflich aber reizt Garlaschelli das Paranormale: Kornkreise, Poltergeister, Astrologie.
Mit einigen Gleichgesinnten von der Vereinigung CICAP, dem italienischen Komitee für die Beweisüberwachung paranormaler Phänomene, sucht er wissenschaftliche Begründungen für vermeintlich1 unerklärliche Erscheinungen. Jetzt hat sich Garlaschelli ein besonders rätselhaftes Objekt vorgeknöpft2: das Turiner Grabtuch. Es soll angeblich vor etwa 2000 Jahren den Leichnam des gekreuzigten Jesus Christus umhüllt haben.
Das 4,36 mal 1,10 Meter große Tuch wird daher von Gläubigen verehrt. Was ihm seinen Nimbus verleiht, ist der Abdruck eines 1,75 Meter großen, verletzten, bärtigen Mannes, der auf dem Tuch zu sehen ist. Für Gläubige sind es die Züge des Körpers Jesu, die sich in das Gewebe abgedrückt haben. Seit 1578 wird es im Dom der nord­italienischen Stadt Turin aufbewahrt und lockt bei jeder Zurschaustellung zahlreiche Pilger an. Das letzte Mal war das im Jahr 2000 der Fall: Über eine Million Menschen kamen nach Turin, um das vermeintliche Leichentuch Christi mit eigenen Augen zu sehen.

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Negativ des Abbilds auf dem echten Grabtuch (links) und der Kopie (rechts): Der italienische Chemiker Luigi Garlaschelli stellte nun mit mittelalterlichen Methoden eine Kopie des Grabtuchs her.

Mit mittelalterlichen Methoden hergestellt
Garlaschelli hat mit seinem Team nun eine genaue Kopie des Turiner Grabtuchs hergestellt – in nur knapp sechs Tagen. Für die Herstellung der Tuch-Kopie habe er ausschließlich Mittel und Methoden angewandt, die schon im Mittelalter bekannt waren. Garlaschelli sieht damit einen weiteren Beweis erbracht, dass das Leinentuch eine Fälschung ist.
Der Forscher benutzte einen Leinenstoff, der mit mittelalterlichen Methoden hergestellt worden war. Durch einfaches Waschen und Kochen mit Wasser ließ er ihn künstlich altern. Anschließend legte er das Tuch über einen seiner Studenten, der sich dafür freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Mit einer säurehaltigen, rötlichen Pigmentpaste, die ebenfalls schon im Mittelalter bekannt war, rieb er die Umrisse des Studenten ab und ließ das Pigment rund eine halbe Stunde einziehen. Zurück blieb das Abbild des Studenten auf dem Tuch. Anschließend versetzte er es noch mit Blutspuren, Brandlöchern und Wasserflecken. Die Bilder zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit zum echten Grabtuch.
Seit dem Jahr 1900 beschäftigt das Tuch die Wissenschaft, die Forschung an ihm hat sogar schon einen eigenen Zweig begründet: die Sindonologie, abgeleitet vom altgriechischen Wort für Leichentuch (sindón). 1988 schien dann schon das Ende der neuen Disziplin gekommen: Mit umfangreichen Radiokarbon-Untersuchungen datierten drei Labors in der Schweiz, den USA und Großbritannien unabhängig voneinander das Alter des Tuchs auf das 13. oder 14. Jahrhundert. Damit könne es nicht das Grabtuch Christi sein, so das Fazit der Forscher. Passenderweise fällt auch die erste schriftliche Erwähnung des Tuchs genau in die­se Zeit – und schon damals wurde die Echtheit des Tuchs in Zweifel gezogen.

Das Abbild birgt rätselhafte Details
Allerdings gab es auch Zweifel an der Radiokarbon-Studie: Kritiker bemängelten3, dass in den Labors Proben verwendet worden waren, die von Flicken im Tuch stammten, mit denen im Mittelalter Brandflecken repariert worden seien. Die Datierung sei somit verfälscht und nicht repräsentativ für das gesamte Grabtuch. In einer israelischen Studie aus dem Jahr 1999 kamen Botaniker außerdem zu dem Schluss, dass die Pollen, die sich auf dem Tuch gefunden hatten, von Pflanzenarten des Na­hen Ostens stammen mussten.
Rätselhaft blieb auch, wie das Abbild des Menschen auf dem Tuch entstanden war. Vor allem irritierte Forscher, dass es Details zeigte, die erst die moderne Forschung wiederentdeckt hatte. So ist auf dem Haupt des Mannes eine Dornenkrone und kein Dornenkranz zu sehen – entgegen allen anderen mittelalterlichen Jesus-Darstellungen, die ihn mit einem Dornenkranz zeigen. Und auch in den Abdrücken der Hände sind die Nägel durch die Handwurzeln geschlagen worden – und nicht durch die Handflächen. Tatsächlich hatten das die Römer bei Kreuzigungen so getan.
Zumindest die technische Machbarkeit einer mittelalterlichen Tuchfälschung sieht Garlaschelli durch seine Studie aber belegt: «Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass dieses vermeintlich unglaubliche Objekt von menschlicher Hand hergestellt werden kann – mit billigen Materialien und einer ziemlich simplen Prozedur.» Tatsächlich dauerte die Herstellung des Tuchs nur knapp eine Woche. Um allerdings die richtigen Konzentrationen an Pigment und Säure herauszufinden, hatte Garlaschelli im Vorfeld mehrere Jahre lang experimentieren müssen. Er plant nun, seine Arbeit bald in einem wissenschaftlichen Fachmagazin zu veröffentlichen – in einem 50-seitigen Aufsatz.

2010 soll das Grabtuch wieder ausgestellt werden
Reaktionen von der Kirche auf seine Arbeit erwartet Garlaschelli nicht: «Die Kirche äußert sich nicht zu der Echtheit des Tuchs.» Finanziert wurde seine Arbeit von einer Gruppe italienischer Atheisten und Agnostiker. Einfluss auf die Ergebnisse habe dies nicht gehabt, beteuert Garlaschelli. Wenn die Kirche weitere Forschungen bezahlen wolle, würde er auch für sie arbeiten. Das aber sei nicht zu erwarten: «Die Kirche fördert diejenigen, die die Echtheit des Tuches unterstützen.» Auch über eine Läuterung4 der Gläubigen macht er sich keinerlei Illusionen: «Diejenigen, die an das Tuch glauben, werden das auch weiterhin tun», sagte Garlaschelli der italienischen Zeitung «La Repubblica».
Fest steht, dass auch im Jahr 2010 wieder viele Menschen nach Turin pilgern werden – dann soll das Grabtuch erneut ausgestellt werden. Millionen werden durch zentimeterdickes Panzerglas in das rätselhafte Antlitz blicken, von dem sie glauben, es sei das von Jesus Christus. Dann aber wird sich Garlaschelli schon neuen Mysterien zugewandt haben: Er plant ein Buch über die vermeintlichen Wunder von Lourdes.

Von Jens Lubbadeh

Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de

 

1 ver|meint|lich <Adj.>: (irrtümlich, fälschlich) vermutet, angenommen; scheinbar: der -e Gangster entpuppte sich als harmloser Tourist; eine v. günstige Gelegenheit.

2 vor|knöp|fen, sich <sw. V.; hat> [wohl eigtl. = jmdn. an den Knöpfen heranziehen u. vor sich hinstellen] (ugs.): 1. einem irgendwie Abhängigen gegenüber deutlich seinen Unwillen über dessen Verhalten usw. äußern: den werde ich mir gleich mal gründlich v. 2. sich jmdm., einer Sache zuwenden, um sich mit ihm, damit energisch zu beschäftigen (um sie zu überprüfen, zu bearbeiten, zu zerstören usw.): sich in der Rede die Opposition v.

3 be|män|geln <sw.V.; hat>: als Fehler od. Mangel kritisieren, rügen, beanstanden; monieren: an der Qualität war nichts zu b.

4 Läu|te|rung, die; -, -en [spätmhd. leuterung] (geh.): 1. das Läutern (1). 2. das [Sich]läutern: geistige L.; Wandlung und L. läu|tern <sw. V.; hat> [mhd. liutern, ahd. (h)lutaren] (geh.): 1. reinigen, klären, von Verunreinigungen befreien: Erz l.; die Flüssigkeit ist trübe und muss geläutert werden. 2. von charakterlichen Schwächen, Fehlern befreien: die Krankheit hat ihn, sein Wesen geläutert; seit dem Unglück ist er geläutert; <auch l.+ sich> er hat sich geläutert.