Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №15/2009

Literatur

Rolf Schneider
Bodensee oder Das Paradies

Fortsetzung aus Nr. 14/2009

Nichts davon allhier. Das Paradies ist die Abwesenheit von jeglichem Schmerz. Das neue Schloß zu Meersburg bot eine Art von Barock, die schön und selbstverständlich und gelassen war und genau hineinpaßte zwischen Rebgärten vor blinkendem Wasser. Das Paradies ist auch der Ort unschuldiger Völlerein. Irgendwann würde ich im Halbdunkel eines Restaurants sitzen, das untergebracht war in den Räumen eines mittelalterlichen Hauses, ich würde zum erstenmal in meinem Leben Felchen essen, gebraten und mit Mandeln, ich würde dazu vom hiesigen Wein trinken, Spätherbst, eine für mich unbekannte, eine damals, es ist dies nunmehr zwölf Jahre her, noch überhaupt nicht in Mode befindliche Sorte.
Und dann ging ich, wie es sich gehört für einen deutschen Literaten, ins Fürstenhäusl der großen Annette von Droste-Hülshoff. Ein alter Herr führte mich, der sich mehrfach entschuldigte für seine lückenhafte Kenntnis; und dann, als ich während des Ganges durch niedrige Räume mit biedermeierlichem Mobiliar, durch den Garten mit seinen üppigen Stauden, als ich da (wie es sich gehört für einen deutschen Literaten) über die bittere Liebesgeschichte zwischen Annette und ihrem Schücking ganz gut Bescheid wußte und in Einzelheiten besser als der alte Herr: da erfuhr ich aus dessen Mund das Angebot, daß ich doch bleiben solle, ständig hier sein und die Betreuung und Leitung des kleinen Memorialmuseums übernehmen, denn nach einem wie mir sei man just auf der Suche. Das Angebot, erinnere ich mich, war verbunden mit freier Kost und Logis und mit einem hübschen Handgeld; bloß ein paar Stunden am Tage hätte ich präsent zu sein für den öffentlichen Betrieb des Fürstenhäusl; der Rest der Zeit gehöre dann mir, für anderes Tun oder fürs Nichtstun.
Während zweier, dreier Sekunden war die Versuchung übermächtig. Ich stand in Licht und Schatten, atmete süßen Blumengeruch und konnte mir mühelos eine Verlängerung meiner Existenz in dieses verlockende Ambiente ausdenken. Aber dann schüttelte ich die Versuchung von mir, indem ich den Kopf schüttelte und vieldeutig verlauten ließ, das Angebot sei überaus reizend, aber für mich käme es nun ganz und gar nicht in Frage. Dann eben nicht, sagte melancholisch der alte Herr, und wir gingen weiter.
Ich fuhr danach auch noch zur Insel Mainau mit dem Schiffe. Ich zahlte den geforderten Obolus an die Bernadottes und durfte dafür eine Stunde lang in dem eitel hergerichteten Schloßpark umherspazieren, inmitten vieler anderer Leute, die schnatterten und bewundernde Ausrufe entließen, artikuliert in fast allen Sprachen des Kontinents. Ich sah auch die berühmten, die einzigen in deutscher Erde wurzelnden Palmen; es waren ihrer um die zwölf, und Wurzeln nebst Erde hatte man zuvor in Kübel getan; der Anblick unterschied sich für mich in nichts von dem anderer Palmen, wie man sie etwa in den Gewächshäusern großer botanischer Gärten antreffen kann. Überhaupt meinte ich auf der Insel Mainau zarte Züge von Nepp wahrnehmen zu können. Auch das Paradies, erfuhr ich so, besitzt seine Unterabteilung für Beutelschneiderei und Souvenirkitsch. Das macht das Paradies nur menschlich und somit überhaupt für Menschen erträglich.
Zurück in Meersburg, sprang ich noch rasch ins Wasser, um zu schwimmen. Da vermerkte ich, wie auch dieses Paradies, gleich jenem alten und biblischen, enden könne durch einen menschlichen Sündenfall, der im Falle des Bodensees Industrieabwässer und Umweltverschmutzung hieß. Das Wasser jedenfalls, im Prinzip warm und seidig, zeigte bei genauerem Hinsehen allerlei Infusorien: schmutzige Seide gewissermaßen. Die selig faulenzenden Sonnenmenschen auf ihren treibenden Luftmatratzen schien dies nicht zu stören. Ich selbst wurde durch himmlisches Geräusch aus dergleichen Reflexion gerissen.
Überm deutschen Ufer, hinter Rebhängen und Obstgärten, zog ein Gewitter auf und drehte bleigraue Wolken umeinander. Ich, kaum dem Wasser entstiegen, fühlte mich alsbald wieder geschlagen von südlicher Schwüle. Ich bestieg einen Dampfer, der mich nach Lindau bringen sollte; auf dem Vorderdeck, in einem Liegestuhl, ließ ich mich von Fahrtwind kühlen und sah zu, wie das Gewitter sich anders entschied, indem es abdrehte und lediglich in der Gegend von Überlingen ein paar Blitze ins Wasser warf.

Aus: Rolf Schneider: Annäherungen & Ankunft.
Hinstorff Verlag, Rostock 1982. S. 220–232.

Fortsetzung folgt

 

Der Abdruck folgt dem Original von 1982 und entspricht damit nicht den heute gültigen Rechtschreibregelungen.

Völ|le|rei, die; -, -en [unter Anlehnung an voll für älter Füllerei] (abwertend): üppiges u. unmäßiges Essen u. Trinken: eine maßlose V.; zur V. neigen.

Fel|chen, der; -s, - [mhd. felche, H. u.]: (zu den Renken gehörender) schlanker Lachsfisch mit silberglänzendem Körper.

bie|der|mei|er|lich <Adj.>: zum Biedermeier gehörend, dem Biedermeier[stil] eigentümlich. Bie|der|mei|er, das; -s (Fachspr. auch: -) [nach «(Gottlieb) Biedermaier», Deckname der Verfasser von «biedermännischen» Gedichten in den «Fliegenden Blättern» (1855 ff.)]: 1. deutsche Kunst- u. Kulturepoche (etwa 1815 bis 1848): ein Maler des -s. 2. Biedermeierstil: diese Möbel sind typisch[es] B.

üp|pig <Adj.> [mhd. üppic, ahd. uppig = überflüssig, unnütz, nichtig; übermütig, H. u., viell. verw. mit über u. eigtl. = über das Maß hinausgehend]: 1. a) reichhaltig, in verschwenderischer Fülle [vorhanden]: -e Vegetation; ein -es Büfett; ü. blühende Wiesen; Ü in -en Farben; sie haben es nicht ü. (haben nicht viel Geld); b) rundliche, volle Formen zeigend: ein -er Busen. 2. (landsch.) übermütig, unbescheiden, allzu selbstbewusst: er wird mir langsam zu ü.

Stau|de, die; -, -n [mhd. stude, ahd. studa, wohl zu stauen]: 1. (Bot.) [große] Pflanze mit mehreren, aus einer Wurzel wachsenden kräftigen Stängeln, die im Herbst absterben u. im Frühjahr wieder neu austreiben. 2. (landsch., bes. südd.) Strauch.

Lo|gis, das; - [...i:(s)], - [...i:s; frz. logis, zu: loge, Loge]: 1. [nicht besonders komfortable] Unterkunft, Wohnung [bei jmdm.]: bei jmdm. Kost und [freies] L. haben; sie hat ihr L. im Souterrain, unter dem Dach. 2. (Seemannsspr.) [Gemeinschafts]wohnraum auf Schiffen für Mannschaft u. niedrige Dienstgrade.

Am|bi|en|te, das; -: Umwelt, Atmosphäre; Milieu, das eine Persönlichkeit, einen Raum od. ein Kunstwerk umgibt, ihm eigen ist: ein italienisches A.

ver|lau|ten <sw. V.> [mhd. verluten]: 1. bekannt geben, äußern <hat>: der Ausschuss hat noch nichts verlautet. 2. bekannt werden; an die Öffentlichkeit dringen <ist>: wie verlautet, kam es zu Zwischenfällen; aus amtlicher Quelle verlautet, dass die Umgehungsstraße nun doch gebaut werden soll; <auch unpers.:> es verlautete (hieß), dass er verunglückt sei.

Obo|lus, der; -, - u. -se [lat. obolus < griech. obolós, mundartl. Form von: obelós = [Brat]spieß (Obelisk); wahrscheinlich waren die ersten Münzen dieser Art kleine, spitze Metallstücke]: 1. kleine altgriechische Münze. 2. (bildungsspr.) kleinerer Betrag, kleine Geldspende für etw.: seinen O. entrichten.