Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №8/2009

Sonderthema

Johann Friedrich Cotta

Eine Kutsche. In der Kutsche sitzen der Buchhändler Fleischer aus Frankfurt am Main und ein junger, gerade sechzehnjähriger, großbürgerlicher Stutzer namens Johann Wolfgang Goethe. Der wird schon seit geraumer Zeit in interessierten Frankfurter Zirkeln herumgereicht mit seinen ziemlich frechen Gedichten, und jetzt will ihm Fleischer die große Welt zeigen, die große Welt der Bücher! Und das ist Leipzig, die Buchmesse! Dort trifft man sich und macht Geschäfte, wenn man kann.

Wir können jetzt die Kutsche nicht bis Leipzig verfolgen, das würde ein paar Tage dauern! Aber über das Ergebnis der Reise sind wir informiert: Der junge Goethe macht mächtig Eindruck in Leipzig und es interessieren sich zwei Verleger für ihn. Einer ist auch bereit, die frechen Sachen als Neue Lieder herauszubringen.

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Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf (1764–1832), Verleger Goethes, Schillers, Herders, Schlegels und vieler anderer bedeutender Schriftsteller und Herausgeber der «Allgemeinen Zeitung», des wichtigsten politischen Blattes im Deutschland des 19. Jahrhunderts.
Ölgemälde von Karl Jakob Theodor Leybold aus dem Jahr 1824.

Das gibt dem jungen Mann ziemlichen Auftrieb und zurück in Frankfurt bietet er seinen beiden Bekannten aus Leipzig schon bald ein neues Opus an: Die Mitschuldigen, ein ziemlich kurzes Theaterstückchen.
Jähes Erwachen aus ersten Blütenträumen. Von den beiden Herren kommt ein entschiedenes ‹Nein!›
War’s vielleicht nicht frech genug? Was tun?
Was die meisten damals machen. Goethe gibt seine neuen Gedichte im Selbstverlag heraus, 1773 dann ein richtiges Theaterstück: Götz von Berlichingen. Auf eigene Kosten lässt der Herr Student – schließlich kommt man aus begütertem Hause –, das Stück drucken. Ja und dann?
Sitzt man auf Büchern in seiner Bude und schreibt Brandbriefe an die lieben Freunde: Kauft mir um Himmels Willen was ab!
Aber das Stück macht Eindruck mit seiner saftigen, frechen Sprache, es finden sich sogar ein paar Buchhändler, die Goethe Bücher abnehmen, um sie zu verkaufen.
Und da lernt der junge Goethe eine Finesse des Verlegergewerbes kennen: Plötzlich gibt es überall Götz von Berlichingen zu kaufen: Raubdrucke, Nachdrucke, schnell abgekupfert von gewieften Buchhändlern. Keinen Pfennig sieht der Autor dafür, denn es gibt noch kein Urheberrecht. Jeder darf, wenn er kann.
Für Goethe ist klar: Im Verlagswesen herrscht irgendwie der Urwald, und man muss aufpassen, dass man nicht gefressen wird.
Ob Literat oder Gelehrter, alle fühlen sich schlecht behandelt damals von der Verleger­zunft. Eine drastische Stimme aus Berlin: «Sie wohnen in Palästen und der Gelehrte nur zu oft in einer schlechten Hütte – sie haben getäfelten Fußboden und marmorne Säle, und der Gelehrte hat kaum ein enges Stübchen – sie opfern dem Gott Bacchus in Champagner und Tokaier und der Gelehrte trinkt seinen Gerstensaft – Letzterer muss auf den folgenden Tag sorgen und Nächte bei der Lampe arbeiten, um seiner Familie den notdürftigen Unterhalt zu verschaffen und sie durchschwelgen die Nächte, halten sich Mätressen und Kebsweiber und leben alle Tage herrlich und in Freuden.»
Goethe muss noch viel lernen, die nächste Lektion folgt 1774: Die Leiden des jungen Werthers finden einen gewissen Weygand als Verleger, einen der größten Knicker der Branche, wie Zeitgenossen versichern. Und als der Werther ein Riesenerfolg wird, geradezu zum Kultbuch avanciert, da erscheinen nicht nur die üblichen Nachdrucke anderer Verleger, sondern auch der Original-Werther, verlegt bei Herrn Weygand und von ihm auch bezahlt, erlebt eine wunderbare Vermehrung nach der anderen.
Der sogenannte Doppeldruck! Wenn die erste Auflage verkauft ist, macht der Verleger klammheimlich weitere, die genauso aussehen wie die Erstausgabe, und, das ist der Trick, mit rückdatiertem Erscheinungsjahr! Sodass der Autor nicht mehr bezahlt werden muss, weil er denkt, dies sei noch die erste Auflage. Eine beliebte und allgemein gebräuchliche Finesse.
Goethe hat dazugelernt, und er hat auch Erfolg. Viel Erfolg! Jetzt spielt er mit den Verlegern: Das erste Opfer heißt Mylius, der sich mit Goethe ein gutes Geschäft erhofft und das Schauspiel Stella angeboten bekommt. Er kriegt es auch, aber nur gegen Vorkasse, 1000 Mark umgerechnet und lesen kann er’s erst nach der Barzahlung.
Da ist Herr Mylius aber pikiert: «Es ist allerdings wohl Eigensinn von Herrn Dr. Goethe, wenn er seine Manuskripte auf die Art verkaufen will; denn, unter uns gesagt, es ist etwas sonderbar, unbesehen und nach dem Sprichwort, die Katze im Sack zu kaufen. Mich wundert übrigens, dass Herr Dr. Goethe die Buchhändler so quälen will, da er, wie ich immer gehört habe, solches aus ökonomischen Gründen nicht nötig hat. Soll es also vielleicht Ruhm sein, dass ihm seine Manuskripte so teuer bezahlt wurden?»
Da täuscht er sich aber, der Herr Mylius, Goethe braucht viel Geld! Er erklärt es seinem Faktotum Eckermann: «Man muss Geld genug haben, seine Erfahrungen bezahlen zu können. Jedes Bonmot, das ich sage, kostet mir eine Börse voll Gold; eine halbe Million meines Privatvermögens ist schon durch meine Hände gegangen, um das zu lernen, was ich jetzt weiß, nicht allein das ganze Vermögen meines Vaters, sondern auch mein Gehalt und mein bedeutendes literarisches Einkommen.»
So richtig in die Vollen geht Goethe 1787 mit dem Verleger Göschen, der eine erste Gesamtausgabe des erfolgsgewohnten Meisters herausgeben will. Grob umgerechnet rund hunderttausend Mark muss Göschen hinlegen, und kauft dafür die Katze im Sack.
Denn die Hälfte der vorgesehenen acht Bände besteht aus Fragmenten, für deren Fertigstellung der Dichter sich nicht verbürgen möchte und der Rest ist längst Bekanntes.
Womit hält sich Göschen schadlos? Mit Nachdrucken natürlich.
Aber da schreiben wir schon das Jahr 1787 und es ist Zeit, dass unser Hauptdarsteller die Bühne betritt: Johann Friedrich Cotta, Jurist, 21 Jahre alt, kauft 1787 die Tübinger Buchhandlung seines Vaters. Ein angesehener, aber verstaubter und zu teurer Laden, wie die Zeitgenossen meinen.
Anfangs hat der junge Cotta mehr Schulden als Bücher, in seinem ersten Jahr, munkeln die Nachbarn, soll er zu Fuß zur Leipziger Messe gegangen sein. Aber er will den Tübinger Laden hochbringen, drum braucht er Geld und einen Partner. Den findet er in Jacob Zahn, einem Studienkollegen, der im Begriff ist, eine ziemlich begüterte Dame zu heiraten. Der Vater dieser Dame möchte dem Schwiegersohn in spe gerne finanziell in die Schuhe helfen, aber vorher wissen, mit wem und auf was sich der junge Mann da einlässt.
So erklärt der junge Cotta dem jungen Zahn das Metier des Buchhändlers und Verlegers, damit der es seinem Schwiegervater weiterverklickert. Kompliziert?
Cotta: «Der Buchhandel, über welchen Du nähere Aufschlüsse verlangst, hat zwei Zweige: Er ist Detail und Großhandel, wir sind Krämer und Fabrikanten, indem wir eingekaufte Bücher einzeln verkaufen und Bücher fertigen lassen, die wir en gros mit Rabatt an andere Kaufleute unserer Art abgeben. Jenes nennen wir den Sortiments-, dieses den Verlagshandel. Der Letztere ist der Einträglichste. Er ist bloßer Spekulationshandel, hat aber von jedem anderen seiner Art den wesentlichen Vorzug, dass viel gewonnen werden kann und doch nicht viel gewagt wird, indem wenig oder gar nichts verloren gehen kann, wenn man ihn nur mit mäßiger Vorsicht führt. Dies haben wir der Messeeinrichtung zu danken. Man kann versichert sein, von jedem Buch wenigstens 150 bis 200 Exemplare auf der Ostermesse abzusetzen. Dies ist hinreichend, wo nicht die ganze Auflage, doch wenigstens einen Teil derselben zu ersetzen, denn der Ansatz der Bücherpreise wird gewöhnlich so gemacht, dass der Absatz von 200 bis 250 Exem­plaren die Ausgaben ersetzt.»
Hart ist das Leben des Jung­unternehmers Cotta, aber jetzt hat er Geld und legt los: Durchschnittlich 30 Werke bringt er zwischen 1790 und 1794 jährlich heraus und fährt mit ihnen zur Messe nach Leipzig. Darunter sind auch schon die ersten Zeitschriften mit so schönen Namen wie «Ama­liens Erholungsstunden» – Teutschlands Töchtern geweiht. Und als Nachfolgemodell: «Flora»: dito Teuschlands Töchtern geweiht. Textprobe gefällig?
«Hier ... hu, mich schaudert! – Hier schleicht sachte aus dem Winkel ein Gespenst hervor – es ist der gemordete Gatte, der die Hände nach seinen Kindern ausstreckt und einen Feuer speienden Racheblick auf den Sarg hinwirft, als ob er die Ehebrecherin heute noch vor das Strafgericht fordern wollte! – Gottes ewige, unermessliche Barmherzigkeit sei diesem Armen gnädig! Ich spreche Amen!»
Schön? Cotta macht von Anfang an «Verlagspolitik», stellt sein Unternehmen auf eine breite Basis, nur so kommt man zu Geld! Und er braucht Geld, unbedingt, denn eigentlich steht ihm der Sinn nach großer Literatur und die kostet mittlerweile. Später erinnert er sich: «Das größere Honorar, das man sofort gibt, gewährt auch den Gelehrten mehr Spielraum zur Entwicklung ihrer Kräfte; das Publikum findet sich angezogen, einem Beginnen Dauer zuzumuten, dass die Anordner durch das, was sie anbieten, selbst für begründet halten. Ich glaube, derjenige zu sein, der zuerst den größeren Ehrensold, den Gelehrten gegenüber, einführte und ich habe in Bausch und Bogen nie Gelegenheit gehabt, es zu bereuen. Die Literatur kann sich nur heben, wenn man sie wirklich achtet, und die Empfänglichkeit des Publikums steht in der genauesten Wechselwirkung mit dem Felde überhaupt, das man den Gelehrten eröffnet.»
Mit dieser Einstellung zu seinem Beruf muss Cotta eines Tages beinahe zwangsläufig auf Goethe stoßen, denn der ist gerade dabei, mit dem bescheidenen «Ehrensold» Schluss zu machen, grundsätzlich!
Bis ins 18. Jahrhundert hinein gab es den freiberuflichen, freischwebenden Dichter noch gar nicht! Man war entweder Hof­poet und hatte Verse zu schmieden, dem Brotherrn zu Lob und Preis, oder man hatte noch einen anderen Beruf und betrieb die Poeterei nebenbei. Goethe versteht sich selbstbewusst als ein Dichter, der von seiner Kunst leben will! In Dichtung und Wahrheit liest sich das so: «Nun aber sollte die Zeit kommen, wo das Dichtergenie sich selber gewahr würde, sich seine eigenen Verhältnisse selbst schüfe und den Grund zu einer unabhängigen Würde zu legen verstünde.»
Goethe, ein Schriftsteller, der seine Ware auf den Markt wirft und handelt, wenn’s um ihren finanziellen Wert geht.
Und Cotta, der erste Verleger, der das versteht, der akzeptiert, dass sich das Gewicht zwischen Verleger und Autor ein bisschen mehr in Richtung Autor verschiebt.
Der Weg zu Goethe führt Cotta über Schiller. Schiller kommt 1794 nach Tübingen und trägt Cotta sein Lieblingsprojekt vor: Eine anspruchsvolle Zeitschrift, für ganz Deutschland, «Horen» soll sie heißen. Goethe soll mitmachen und sagt zu, für das höchste Honorar aller Beteiligten und darunter ist die Crème des deutschen Geisteslebens: Schiller, Fichte, Herder, Humboldt, Schlegel und-und-und.
Die «Horen», kein gutes Geschäft für Cotta, zu kompliziert, philosophisch, die Abonnenten bleiben weg, die Herren Herausgeber haben keine Lust mehr. Im März 1798 ist Schluss.
Geld hat Cotta diese Zeitschrift nicht gebracht, aber etwas anderes.

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Wilhelmine von Cotta, Ehefrau des Verlegers J. F. Cotta. Porträt von Christian Gottlieb Schick, 1802

Cotta verlegt Goethe!
Goethe fährt nach Tübingen, zu Cotta, September 1797. Der Eindruck des Meisters: positiv, sehr positiv, er schreibt an Schiller: «Je näher ich Herrn Cotta kennenlerne, desto besser gefällt er mir. Für einen Mann von strebender Denkart und unternehmender Handelsweise, hat er so viel Mäßiges, Sanftes und Gefasstes, so viel Klarheit und Beharrlichkeit, dass er mir eine seltene Erscheinung ist.»
Schiller macht sofort Meldung an Cotta und der antwortet postwendend: «Sie haben mir durch ihr Schreiben eine unbeschreibliche Freude gemacht, da ich mir nie träumen lassen könnte, bei Goethe so wohl angeschrieben zu sein. Bei einem so seltenen Mann wie dieser ist, muss dies doppeltes Vergnügen verursachen und ich wünschte nur, sein günstiges Urteil verdienen zu können. Was Sie von den Vorteilen schreiben, wozu dieses nähere Verhältnis mit Goethe mich führen könnte, erkenne ich vollkommen, allein ich war zu schüchtern, in dieser Hinsicht etwas zu erwähnen, weil ich für alles in der Welt nicht wollte, dass mein Benehmen gegen Goethe dadurch den Schein von Eigennutz bekäme, da mich dieser nie leiten, sondern ich den Mann, den ich hoch achte und verehrte, ehren wollte. Nur einmal äußerte ich den Wunsch, auch in literarische Verbindung mit ihm treten zu können und er schien nicht ganz abgeneigt zu sein. – Wenn Sie die vielen Beweise Ihres Wohlwollens noch dadurch vermehren wollten, dass Sie den Mittelsmann hierbei machen würden, so würden Sie mich sehr verbinden. Ich hege freilich immer den stolzen Wunsch, dass ein angefangenes Verhältnis der Art nie getrennt werden möchte und ich werde daher auch immerhin das Möglichste tun, es zu erhalten und diejenigen, die sich mit mir in solche Verbindung einlassen, es nie bereuen zu machen.»
Nobel dieser Brief und bescheiden. Cotta meint’s ernst mit seiner Anhänglichkeit und Dankbarkeit. Schiller, dessen Dramen er der Reihe nach herausbringt, bemuttert er geradezu!
Und Schiller mimt gerne den etwas hilflosen Herrn Professor: Cotta lässt ihm einen Blitzableiter ans Gartenhäuschen setzen, kümmert sich um den Haushalt, Tapeten, Zucker, Kaffee, Portwein, für die Frau Gemahlin sogar ein Toilettentisch aus Leipzig, das alles landet honorarabzugsfrei im Hause Schiller.
Ein guter Geschäftsmann, Herr Cotta, um Schiller und Goethe reißen sich mittlerweile natürlich alle Verleger, da wirken ein paar kleine Extras Wunder: Nur Goethe wird damit nicht so zu beeindrucken sein, dass er sein Misstrauen gegenüber dem Verlegerstand aufgibt. Schiller bringt’s Cotta schonend bei: Vorsicht, harter Brocken!
Schiller: «Es ist, um es geradeheraus zu sagen, kein guter Handel mit Goethe zu treffen, weil er seinen Wert ganz kennt und sich selbst hoch taxiert, und auf das Glück des Buchhandels, davon er überhaupt noch eine vage Idee hat, keine Rücksicht nimmt. Es ist noch kein Buchhändler in Verbindung mit ihm geblieben. Er war noch mit keinem zufrieden und mancher mochte auch mit ihm nicht zufrieden sein. Liberalität gegen seine Verleger ist seine Sache nicht.»
Cotta will Goethe unbedingt, der um 1800 schon im Zenit seines Ruhmes steht, und er weiß auch, dass das seinem Verlag gut tun wird. Seit 1797 erscheint bei Cotta der Musenalmanach und in ihm verfassen Schiller und Goethe gemeinsam die Xenien, eine geistreiche und spitze Abrechnung mit dem zeitgenössischen Literaturbetrieb und der Aufklärung. Die Xenien rufen einen Sturm der Entrüstung hervor und veranlassen diejenigen, die mit ihnen gemeint sind, zu Antixenien, was wiederum Cottas Geschäft ankurbelt.
Große eigenständige Werke kriegt Cotta von Goethe zunächst nicht, er muss sich mit Kleinigkeiten begnügen und wartet geduldig. Aber der Großmeister, wir wissen es bereits, braucht viel Geld und so schlägt er 1806 dem Verleger eine Gesamtausgabe seiner Werke in 13 Bänden vor. Das ist der Exklusiv-Vertrag, auf den Cotta gewartet hat.
10 000 Reichstaler will Goethe dafür haben, das sind grob gerechnet nach heutiger Kaufkraft etwa 500 000 Mark.
Na ja, Cotta wusste ja, dass Goethe keine Freundschaftspreise macht und er war Geschäftsmann genug, um zu wissen, dass ein Verlag, der die Dichterfürsten Goethe und Schiller im Programm hat, sich eine bessere Reklame für seine anderen Geschäfte kaum wünschen kann, doch davon später.
Cotta hat nicht nur Goethe und Schiller, er verlegt auch Jean Paul, Fichte, zeitweise Hölderlin und den unglücklichen Kleist. Der hat 1808 schon die Hälfte seiner Penthesilea auf eigene Kosten drucken lassen, da nimmt sich Cotta des Dramas an.
Kleist ist überschwänglich dankbar: «Euer Hochwohlgeboren haben sich wirklich durch die Übernahme der Penthesilea einen Anspruch auf meine herzliche und unauslöschliche Ergebenheit erworben. Ich fühle, mit völlig lebhafter Überzeugung, dass diesem Ankauf, unter den jetzigen Umständen, kein anderes Motiv zu Grunde liegen kann, als der gute Wille, einen Schriftsteller nicht untergehen zu lassen, den die Zeit nicht tragen kann; und wenn es mir nun gelingt, mich, ihr zum Trotz, aufrechtzuerhalten, so werd’ ich in der Tat sagen müssen, dass ich es Ihnen zu verdanken habe. Wenn ich dichten kann, d. h., wenn ich mich mit jedem Werke, das ich schreibe, so viel erwerben kann, als ich notdürftig brauche, um ein zweites zu schreiben; so sind alle meine Ansprüche an dieses Leben erfüllt.»
Kleist beurteilt seine Situation sehr hellsichtig, was er nicht weiß: Als Cotta die ganze Penthesilea in Händen hat, möchte er sie am liebsten nicht ausliefern, so sehr missfällt sie ihm.
Mit Goethe läuft das Geschäft reibungsloser, wenn auch nicht frei von Überraschungen: Kaum ist die erste Gesamtausgabe einigermaßen verkauft, wünscht Goethe eine zweite.
Aus Angst, wie er Cotta 1812 schreibt: «Und doch muss ich da­ran denken, wenn ich nicht nach einem mühsamen und mäßigen Leben verschuldet von der Bühne abtreten will. Der Augenblick zehrt schon wieder an unserem Mark, Freunde und Bekannte fallen um mich her, niemand kann dem andern beistehen!»
Und einen Vorschuss braucht Goethe auch noch, für Dichtung und Wahrheit, seine Memoiren und zwar dringend, bitteschön!
Goethe: «Ich kann nämlich meine biografischen Arbeiten vorerst nicht weiter publizieren, wenn Euer Hochwohlgeboren den Band nicht mit 2 000 Talern honorieren können, sodass ich auch auf den ersten 500 Talern Nachschuss erhielte. Ich beziehe mich auf alles, was ich früher über meine Lage eröffnet und füge nur so viel hinzu: dass abermals dringende Umstände meine Erklärung beschleunigen, mit der ich ungern hervortrete. Darf ich Sie um eine baldige Antwort ersuchen?»
Die Antwort Cottas kommt sofort, wie immer positiv.
1816–1820 kommt die neue Werksausgabe heraus, diesmal kostet sie Cotta gut 800 000 Mark. Neue Werke, die in der Zeit erscheinen, kosten extra.
Seit 1824 denkt Goethe an eine Ausgabe letzter Hand, sein literarisches Vermächtnis!
Sein Ruf ist mittlerweile so einmalig, dass trotz immer noch gängiger Nach- und Raubdruckpraxis alle Souveräne der deutschen Bundesstaaten für diese letzte Ausgabe ein Schutzprivileg gegen Nachdruck verkünden.
Jetzt beginnt der große Run. Mehr als 20 Verlage bieten mit, alle wittern das Jahrhundertgeschäft! Cotta wähnt sich sicher, er hat ein vertragliches Vorkaufsrecht, aber die Verlockungen sind groß: Brockhaus beginnt mit 50 000 Talern, Cotta erhöht auf 60 000 Taler, andere bieten 80 000, 100 000. Den Vogel schoss eine Gothaer Aktiengesellschaft ab, die wirft 200 000 Taler in den Ring.
Goethe windet sich, er weiß genau, dass Cotta im Recht ist, aber so viel Geld? Er nölt: «Lassen Sie mich doch das Hauptübel, das bei dieser Verhandlung obwaltet, aussprechen: Es ist dies: dass der Verleger jederzeit genau weiß, was ihm und seiner Familie frommt, der Autor dagegen völlig darüber im Dunkeln ist. Denn wo sollte er in dem völlig gesetzlosen Zustand des deutschen Buchhandels Kenntnis nehmen, was darinnen rechtens ist, was herkommens und was nach sonstiger Conve­nience Buchhändler sich einander verzeihen und gegen die Autoren erlauben. Daher kommt es denn, dass der Verleger sich gar bald auch in den wichtigsten Fällen entschließt, der Autor dagegen schwanken und zaudern muss.»
Cotta bekommt den Zuschlag für 65 000 Taler. Damit hat Goethe von Cotta mehr als fünf Millionen Mark kassiert als Schriftsteller im Laufe seiner Verbindung mit ihm. Wir müssen uns also fragen, woher nimmt Cotta dieses viele Geld, die Auflagen sind nach heutigen Maßstäben überhaupt nicht relevant: 20 000 Exemplare sind für die Ausgabe letzter Hand vorgesehen, das ist schon ein Rekord. Um diese Frage wenigstens oberflächlich zu erörtern, müssen wir die Uhr um ein paar Jahre zurückdrehen, sagen wir auf 1815, und Herrn von Cotta wieder in eine Kutsche setzen.

Die Geschäfte des Herrn Cotta
Cotta fährt von Stuttgart nach Wien, zum Wiener Kongress. Dort will er die tagenden hohen Herrschaften dazu bewegen, endlich ein einheitliches Urheberrecht zu beschließen.
In Württemberg beispielsweise ist der übliche Nachdruck noch durchaus gang und gäbe.
Was aber Cotta in Wien antrifft, ist noch schlimmer: Da in Österreich fremde Druckerzeugnisse nur über eine strenge Zensur ins Land kommen, gibt’s auch ein Verzeichnis der zugelassenen Schriften, mit dem ausdrücklichen Hinweis, diese Werke seien auch zum Nachdruck erlaubt.
Dass Cotta in Wien ist, als Abgesandter des deutschen Buchhandels auftritt, zeigt schon, er gehört zu den Großen seiner Zunft, auch wenn er in Wien nichts erreicht außer ein paar vagen Versprechungen der Ministerialbeamten.
Darüber freuen sich natürlich auch ein paar Leute, ein Anonymus aus dem Schwäbischen: «Der dasige Buchhändler Cotta, der sich durch den schlechten Druck der klassischen Werke unserer besten deutschen Dichter, eines Herder, Schiller, Goethe, ein Verdienst um die deutsche Nation erworben zu haben glaubt, ist durch diese Unternehmungen zum reichsten Manne geworden, und hat so, wurde mir in Tübingen erzählt, die Summen, die er dem Publikum für seine miserablen Ausgaben guter Werke abnahm, zum Ankauf mehrerer Domänegüter verwendet. So kann ich mich nicht entschließen, von der Wahrheit abzuweichen und eine vor Kurzem bei Geistinger in Wien erschienene Ausgabe von Goethes Werken dem Publikum als eine dem Inhalt weit würdigere Ausgabe anzupreisen, da sie, obschon Nachdruck, das Original in jeder Hinsicht übertrifft. In diesen und ähnlichen Fällen halte ich es für erlaubt, wenn ein Nachdrucker aufsteht und der Prellerei eines Cotta ein Ende macht.»
Neid, der pure Neid! Cotta ist nicht nur der größte Klassik-Verleger seiner Zeit, er ist der größte Zeitschriftenverleger Europas! Unzählige Taschenbücher, Kalender, literarische und Fachzeitschriften aller Art erscheinen bei ihm, reich, meint er, könne man davon nicht werden: «Der Neid hat mir den größten Teil meiner Feinde zugezogen, aber schwerlich würde einer an meine Stelle treten wollen, wüsste er, was auf mir lastet, wie und warum ich mich bemühe. Man hält mich für reich, für sehr reich, es ist möglich, dass ich wenigstens im Verhältnis dieser Ansicht arm sterbe – denn wer kennt dann meine Opfer, die ich Kunst und Wissenschaft brachte und noch bringe!»
Und Cotta ist, seit 1797, der Eigentümer von Deutschlands, wenn nicht Europas, größter und einflussreichster Tageszeitung: der Allgemeinen Zeitung!
Erst kam sie in Stuttgart heraus, da verbot sie eines Tages der Landesherr, weil sie sich für die Französische Revolution begeistert hatte. Man zog nach Ulm, das damals bayrisch war. Als Ulm württembergisch wird, zieht die Zeitung weiter nach Augsburg, wo sie bald für die nächsten Jahrzehnte die Augsburger Allgemeine heißen wird. Sie gilt als eine der bestinformierten Zeitungen Europas, mit dem besten Feuilleton! Überall sitzen Korrespondenten, gut bezahlte Korrespondenten, wie Cotta meint, Knickerigkeit könne er sich überhaupt nicht leisten: «Denen, die den Cotta für knickerig halten, denen muss ich freundlich erwidern, dass ein Mann, der gegenwärtig drei Künstler und fünf Studierende auf Reisen und Universitäten unterstützt und der an Gelehrte und Künstler 116 000 an Vorschüssen gegeben hat, nicht wohl knickrig sein könne, sondern wahrscheinlich größere Opfer bringe, als man wisse und daher bei so weitläufigen Verbindungen und als Privatmann alles beachten müsse, um am Ende nicht selbst Opfer zu werden.»
Die erste dampfbetriebene Druckmaschine steht bei Cotta in Augsburg, auf ihr wird auch Goethes Ausgabe letzter Hand gedruckt werden. Cotta besitzt ein Hotel in Baden-Baden und betreibt die Dampfschifffahrt auf dem württembergischen Teil des Bodensees.
Für die Donaudampfschifffahrt erbittet er sich ein Privileg vom Kronprinzen, dem späteren König Ludwig I. von Bayern.
Ludwig I. möchte ihn ganz nach München locken, ihn reizen die vielen Verlagsmöglichkeiten, die vielen Zeitschriften und Bücher, auf die er hofft, Einfluss nehmen zu können. Aber bei aller Unternehmungslust, Cotta ist auch ein vorsichtiger Schwabe! Und als solcher bleibt er lieber in Stuttgart.
Na und wie lebt ein solcher Großunternehmer? In einer Villa? Ein Besucher berichtet aus der Tübinger Zeit, 1807: «Ich glaubte meinen Augen nicht, als ich nach der Cotta’schen Buchhandlung fragte und man mich in ein Lädchen wies, wo ich mich fast schämte einzutreten, so winzig, eng und schmucklos habe ich neue Bücher noch nie wohnen sehen, alte wohl! Und noch dazu ist dies der Ort, wo die Schiller und Goethe recht eigentlich zuhause sind, von wo sie ausgehen. Der eine, emsig beschäftigte, aber dennoch gutmütig aufmerksame Diener, den ich traf, lächelte über meine Befremdung und geleitete mich, da ich den Herrn Doktor sprechen wollte, zwei schmale Stiegen hinauf in ein enges Stübchen, wo es aber doch etwas elegant aussah, sogar ein Sofa breitete sich hinter einem Tisch, das Einzige bis jetzt, das ich zu sehen bekommen, denn Studenten und Professoren haben so schwelgerische Gewohnheiten in Tübingen nicht.»
«Der alte Cotta beschäftigt sich jeden Abend damit, die Siegel der eingelaufenen Briefe ablösen und in eine Stange zusammenzuschmelzen...», lästert man in Stuttgart.
Seinen Adelstitel verwendet der «Napoleon der Verleger», wie ihn Autoren und Konkurrenten respektvoll nennen, so gut wie nie! Und sein Geld?
Eine Mischkalkulation, meinen die Fachleute heute, aber das Meiste wird er wohl an den Klassikern verdient haben! Kunststück, teuer genug waren sie ja immer bei ihm.
Heinrich Heine, den der alte Cotta sehr gefördert hat, schrieb später an dessen Sohn Georg: «Da tritt oft vor meine Seele das Bild Ihres seligen Vaters, des wackeren würdigen Mannes, der mit der vielseitigsten deutschen Ausbildung einen in Deutschland seltenen praktischen Sinn verband, der so brav und so ehrenfest war, auch so höflich, ja hofmännisch höflich, so vorurteilsfrei, so weitsichtig, und der bei seinen großen Verdiensten um die geistigen wie materiellen Interessen des Vaterlandes, dennoch von einer so rührenden Bescheidenheit war, wie man sie nur bei alten braven Soldaten zu finden pflegt. Das war ein Mann, der hatte die Hand über die ganze Welt.»
Am 22. März 1832 stirbt Goethe. Am 29. Dezember 1832 fährt Cotta wieder in der Kutsche, auf den Hockenlauf-Friedhof in Stuttgart.

Autor: Ekkehard Kühn
Redaktion: Petra Herrmann
© Bayerischer Rundfunk

Der Text ist entnommen aus: http://www.br-online.de