Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №12/2008

Sonderthema

Der Mann im Mond

Ein genialer Techniker, der dem Menschen den Weg ins All bereitete, oder ein finsterer Massenmörder, der für seine Ziele über Leichen ging? Auch dreißig Jahre nach seinem Tod scheiden sich an Wernher von Braun die Geister.
«Es ist nur ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Sprung für die Menschheit.» Als dieser Satz am 21. Juli 1969 – stark verrauscht und schwer verständlich – über den Äther ging, erfüllte sich der Lebenstraum des vielleicht umstrittensten Wissenschaftlers des 20. Jahrhunderts. Möglich gemacht hatte diesen «kleinen Schritt» des US-amerikanischen Astronauten Neil Armstrong auf dem Mond ein Raketentechniker, der sich seine Sporen in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus verdient hatte: Wernher von Braun.
Für die einen bleibt er das wissenschaftliche Genie, das durch seine vorbildliche Hartnäckigkeit die Menschheit in sprichwörtlich unerreichte Höhen katapultierte. Die anderen sehen in ihm einen kaltblütigen Erfüllungsgehilfen des Dritten Reichs, der den Tod tausender Menschen für seine Ziele wissentlich in Kauf nahm. Mit Wernher von Braun, der vor 31 Jahren am 16. Juni 1977 gestorben ist, bleiben zwei Raketen verbunden: das Mondraumschiff Saturn 5 und die Massenvernichtungswaffe V2.

Wernher von Braun

Zu fantastisch
Wernher Magnus Maximilian von Braun wurde am 23. März 1912 in Wirsitz, Westpreußen, geboren. Er hatte zwei Brüder, Sigismund und Magnus. Sein Vater, Magnus Freiherr von Braun, war ein hoher Beamter und zu dieser Zeit Landrat von Wirsitz. Er sollte später in der Weimarer Republik noch Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft werden.
Im Jahre 1920 siedelte Magnus von Braun mit seiner Familie nach Berlin über. Die ersten Schuljahre verbrachte Wernher von Braun auf dem französischen Gymnasium in Berlin. Doch statt für die Schule zu lernen, baute er lieber kleine Raketenautos, mit denen er Passanten erschreckte. Mit 13 Jahren bekam er von seiner Mutter, Freifrau Emmy von Braun, ein Fernrohr geschenkt. Dieses löste bei dem Jungen eine Leidenschaft aus, die ihn nie mehr loslassen sollte. Beim Betrachten des Mondes stellte er sich die Frage, wie man wohl dahin gelangen könnte. Aufgrund schlechter schulischer Leistungen, besonders in Mathematik und Physik, blieb er im gleichen Jahr in der Untertertia sitzen. Sein Vater beschloss daraufhin, ihn auf ein Internat zu schicken.
So kam Wernher von Braun im Jahre 1925 zunächst auf die Internatsschule Schloss Ettersburg in der Nähe von Weimar. In seiner Freizeit befasste er sich oft mit seinem Fernrohr und träumte von fernen Welten. Er hatte sich von seinem Taschengeld das Buch Die Rakete zu den Planetenräumen gekauft, das 1923 von Hermann Oberth veröffentlicht wurde und bis heute als das Grundlagenwerk der modernen Raketenforschung gilt. Der Autor hat in diesem Buch seine Ideen zu einer mit flüssigen Treibstoffen betriebenen Fernrakete zu Papier gebracht. Die Universität Heidelberg hatte seinen Dissertationsentwurf als zu fantastisch abgelehnt. Oberth konnte nach langer Suche einen Münchner Verlag dazu bewegen, das Werk zu veröffentlichen – wobei der Autor die Druckkosten selbst übernehmen musste.
Dieses Buch sollte das Denken eines 13-jährigen Knaben maßgeblich beeinflussen. Doch Wernher hatte Mühe, die vielen mathematischen Formeln zu verstehen. So blieb ihm nichts Weiteres übrig, als sich näher mit der Mathematik zu befassen. Im Jahre 1928 wechselte er auf das Hermann-Lietz-Internat auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Seine schulischen Leistungen waren mittlerweile so gut, dass er im April 1930, noch in der Unterprima, vorzeitig zur Abiturprüfung zugelassen wurde.

Frau im Mond
In der Zwischenzeit hatte Oberth zwar noch keine Technik-, dafür aber schon Filmgeschichte geschrieben: 1928 diente er dem berühmten Regisseur Fritz Lang, der den Spielfilm Frau im Mond möglichst realistisch gestalten wollte, als wissenschaftlicher Berater. Am 23. Juli 1930 bewies Oberth endlich die Machbarkeit seiner Ideen – das von ihm ersonnene Flüssigkeitstriebwerk funktionierte einwandfrei. Zu Werbezwecken sollte zur Filmpremiere eine echte Rakete gestartet werden. Trotz intensiver Bemühungen war der Zeitrahmen zu kurz und das spektakuläre Vorhaben konnte nicht verwirklicht werden. Langs Stummfilm konnte wegen des Triumphzugs der Tonfilme zwar kein Erfolg werden, aber immerhin kam Albert Einstein zur Premiere. Und als Wernher von Braun ein Jahrzehnt später die als Terrorwaffe konzipierte V2 erprobte, ließ er auf ihren Rumpf das Ufa-Filmplakat der Frau im Mond kleben.
Von Braun gehörte zusammen mit Hermann Oberth zu den ersten deutschen Raketenforschern, Mitgliedern des «Vereins für Raumschifffahrt», die sich ab 1930 am Raketenflugplatz Berlin trafen und gemeinsam forschten und experimentierten. Neben seinem Studium an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg arbeitete der 18-Jährige als Praktikant in der Lokomotivenfabrik August Borsig in Berlin-Tegel. Zum Sommersemester 1931 ging Wernher von Braun an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, kam aber Ende September 1931 wieder nach Berlin zurück.
Die Aktivitäten des Raketentüftlers blieben nicht unbemerkt: Am 1. Oktober 1932 trat der zwanzigjährige, frischgebackene Ingenieur in die Dienste des Heereswaffenamts ein. Als Zivilangestellter assistierte er Hauptmann Walter Dornberger (1895–1980) an der Versuchsstelle für Flüssigkeitsraketen in Kummersdorf, dreißig Kilometer südlich von Berlin. Dornberger hatte dem «Verein für Raumschifffahrt» finanzielle Förderung angeboten – unter der Bedingung von Geheimhaltung und militärischer Ausrichtung der Raketenentwicklung. Der Verein lehnte ab, von Braun akzeptierte.
1934 reichte von Braun seine Doktorarbeit in Physik ein. Die Dissertation mit dem Titel Konstruktive, theoretische und experimentelle Beiträge zu dem Problem der Flüssigkeitsrakete wurde sofort als «geheime Kommandosache» klassifiziert und durfte nicht veröffentlicht werden. Die Zeiten hatten sich inzwischen geändert: Seit 1933 bestimmten Adolf Hitlers Nationalsozialisten das Geschehen.

Max und Moritz
Von den politischen Ereignissen in Deutschland unberührt, bastelte von Braun weiter an seinen Raketenträumen. Die technischen Probleme blieben gewaltig: Der erste Entwurf – «Aggregat 1» oder kurz A1 genannt – scheiterte kläglich. «Es kostete uns genau ein halbes Jahr, sie zu bauen», erinnerte sich von Braun später, «und genau eine halbe Sekunde, sie in die Luft zu jagen.» Doch Ende 1934 war der Durchbruch geschafft: Zwei A2-Raketen, die von Braun liebevoll «Max» und «Moritz» nannte, erreichten eine Höhe von 2200 Metern.
Inzwischen hatte sich das Gelände von Kummersdorf als zu klein herausgestellt. Im Mai 1937 zog die Truppe auf die Ostseeinsel Usedom – und sollte damit ein winziges Fischerdorf weltberühmt machen: In Peenemünde entstand unter strengster Geheimhaltung eine Großforschungseinrichtung der Luftwaffe. Am 15. Mai wurde Wernher von Braun – der kurz darauf einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP stellte – zum Technischen Direktor des Werkes Ost der Versuchsanstalt ernannt.
Die Wehrmacht hatte dem 28-Jährigen 1940 nahegelegt, einen SS-Rang anzunehmen, wogegen von Braun sich sträubte. Sein Vorgesetzter Walter Dornberger machte ihm klar, dass das auf höchster Ebene, zwischen Hitler und Himmler, beschlossen worden sei, und dass es dazu keine Alternative gebe – außer dem Verzicht auf alles, was er bis dahin erreicht hatte: Von Braun hätte sich an die Front melden müssen. Er gab nach. «Es geht nicht anders», murmelte er gegenüber Kollegen, wenn er einmal die schwarze Uniform anlegen musste. Zur Arbeit trug er demonstrativ zivil.
Der Beginn des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 sollte die Arbeit am Ostseestrand forcieren. Und so kratzte 1942 von hier aus zum ersten Mal eine Rakete an den Grenzen des Alls: «Aggregat 4» erreichte eine Gipfelhöhe von 85 Kilometern. «Wir haben bewiesen, dass der Raketenantrieb für die Raumfahrt brauchbar ist», verkündete Walter Dornberger stolz. «Dieser 3. Oktober 1942 ist der erste Tag eines Zeitalters neuer Verkehrstechnik, des der Raumfahrt.»

Von A4 zu V2
Auch Rüstungsminister Albert Speer zeigte sich begeistert – und konnte jetzt den lange skeptisch gebliebenen Hitler von der «Nützlichkeit» des Projekts überzeugen. A4 verwandelte sich in V2, die «Vergeltungswaffe 2», deren Massenproduktion sofort in Angriff genommen wurde.
Doch ein Luftangriff der Royal Air Force im August 1943 begrub zunächst die Pläne von der neuen «Wunderwaffe» – die Produktions­stätte sollte nun in sichere Gefilde verlagert werden. Die Wahl fiel auf ein Stollensystem bei der thüringischen Ortschaft Nordhausen. Arbeitskräfte waren für die NS-Leitung kein Thema, das KZ Buchenwald lag doch in unmittelbarer Nähe. So gründete die SS das «Arbeitslager Dora», das im Oktober 1944 zum selbstständigen KZ Mittelbau aufgewertet wurde.
Bis zum 18. März 1945 wurden in die Mittelbau-Lager schätzungsweise 60 000 Häftlinge verschleppt, die unter mörderischen Bedingungen insgesamt 5784 V2-Raketen montierten. Die wenigsten überlebten die Prozedur: Allein in den SS-Akten sind 12 000 Tote «offiziell» vermerkt. Vermutlich mussten mehr als 20 000 Menschen den Raketenbau mit ihrem Leben bezahlen.

Nicht sehr beglückt
Militärisch konnte die V2-Rakete den Krieg nicht mehr entscheiden; der erste Angriff auf Paris am 8. September 1944 verur­sachte nur Sachschaden. Härter traf es die Antwerpener, die fast 1000 Mal beschossen wurden, sowie die Londoner, die über 400 Mal unter dem V2-Terror leiden mussten. Insgesamt starben durch den Beschuss schätzungsweise 8000 Menschen – die Produktion der Waffe forderte damit weit mehr Opfer als ihr Einsatz.
Wernher von Braun soll über den militärischen Einsatz seiner Rakete «nicht sehr beglückt» gewesen sein – betrachtete ihn schlicht aber als notwendiges Übel. «Wir wollen nicht vergessen, dass diese Schüsse nur den Anfang einer neuen Epoche markieren – das Zeitalter des Fluges mit Raketentechnik», tröstete er seine Mitarbeiter. «Wir müssen uns damit abfinden: Es handelt sich um die Demonstration der traurigen Tatsache, dass so viele neue Entwicklungen zu nichts führen, wenn sie vorher nicht als Waffe verwendet werden.»
Diese Skepsis ist übrigens auch den Machthabern nicht entgangen: Am 13. März 1944 verhaftete ihn die SS, da er sich mehr mit Raumfahrt als mit Waffenentwicklung beschäftigt haben soll. Doch auf Geheiß von Speer und Dornberger wurde von Braun wieder entlassen.
Inwieweit Wernher von Braun über die Arbeitsbedingungen im KZ Mittelbau informiert war, bleibt unklar. Er selbst hat immer jegliche Kenntnis abgestritten, doch es erscheint schwer vorstellbar, dass ihm bei zahlreichen Inspektionen der unterirdischen Fabrik das Elend der Häftlinge verborgen geblieben ist.

Unternehmen Büroklammer
Doch dieses Problem sollte ihn nicht weiter belasten. Mit dem Untergang des Dritten Reichs setzten sich von Braun und seine Getreuen nach Süddeutschland ab. Am 2. Mai 1945 stellte er sich in dem bayrischen Dorf Oberjoch den US-Truppen – mit klaren Absichten, wie er später bekannte: «Mein Land hat zwei Weltkriege verloren. Diesmal möchte ich auf der Seite der Sieger stehen.»

Wernher von Braun mit Familie

Die Amerikaner wussten den Wert ihrer «Beutedeutschen» durchaus zu schätzen. Im Juli 1945 begann das Unternehmen «Overcast» (Verdunkelung), das die «Ausnutzung einer beschränkten Anzahl deutscher Wissenschaftler durch die USA» vorsah. Die Karteikarten aller geeigneten Kandidaten wurden mit einer Büroklammer (engl. paperclip) markiert, weswegen die Aktion später auch offiziell den Titel «Paperclip» trug.
Am 18. September 1945 landete Wernher von Braun zusammen mit zunächst sechs weiteren Deutschen in den USA. Nach und nach folgte der Rest der Peenemünder Kernmannschaft, die auf dem Versuchsgelände White Sands nördlich von El Paso ihre Arbeit wiederaufnehmen konnte.
Am 1. März 1947 heiratete Wernher von Braun seine Cousine Maria von Quistorp in einer evangelischen Kirche im bayerischen Landshut. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor.
Schon 1950 verließen Wernher von Braun und etwa 120 Mitarbeiter des deutschen Teams das zu klein gewordene texanische Areal und schufen in der Nähe von Cape Canaveral in Florida ein neues Langstrecken-Versuchsgelände.
Die Ingenieure mussten sich nicht groß umstellen, ihre Tätigkeit blieb weiterhin militärisch. Der sich inzwischen verschärfende Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion tat ein Übriges: Die am 1. November 1952 gezündete erste amerikanische Wasserstoffbombe rückte Raketen als geeignetes Trägersystem in das Interesse der Militärs. Schließlich spielte deren Zielungenauigkeit angesichts der ungeheuren Zerstörungskraft der Bombe keine Rolle mehr.

Wurm der Zersetzung
Wernher von Braun, der sich schnell als US-Amerikaner fühlte – und schließlich 1955 auch eingebürgert wurde –, sah sich auf der richtigen Seite. «Die sowjetische Herausforderung erstreckt sich ohne den Schatten eines Zweifels auch auf militärische Technologie», begründete er die forcierte amerikanische Aufrüstung. «Man hat es nicht mehr nur mit einer ‹roten Bedrohung› zu tun, die in der ausschließlichen Verantwortung von Generälen und Staatsmännern liegt. Dieser Wurm der Zersetzung beginnt in jeden Aspekt unserer Kultur und unserer Wirtschaft hineinzukriechen.»

Raumfahrtpionier Wernher von Braun im September 1960 als erster Direktor des Marshall Space Flight Center der Nasa: Kühne Visionen vom Flug zum Mars

Das Wirken des Deutschen zeitigte Früchte: Am 20. August 1953 schoss eine Redstone-Rakete von Cape Canaveral in den Himmel – die erste vollständig in den USA entwickelte, aber noch auf der V2-Technologie basierende Großrakete mit Flüssigtreibstoff und die erste einsatzfähige nuklear-bestückte Mittelstreckenrakete.
Das Wettrüsten ließ für eine zivile Nutzung der Raketentechnik kaum noch Platz. Auch das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58 ging fast unter – bis am 4. Oktober 1957 ein leises «Piep-piep» aus dem All die westliche Welt erschüttern sollte. «Sputnik 1», der erste von Menschenhand geschaffene Körper in einer Erdumlaufbahn, ließ die Sowjetunion triumphieren.

Wettlauf zum Mond
Von nun an war klar, dass auch die UdSSR technologisch mindestens auf Augenhöhe stand – wobei von Brauns sowjetischer Gegenspieler Sergej Koroljow im Geheimen wirkte. Die USA hatten Mühe mitzuhalten; der erste Versuch, einen Satelliten ins All zu schießen, scheiterte kläglich. Erst am 31. Januar 1958 platzierte von Brauns Jupiter-C-Rakete den US-Satelliten «Explorer 1» in die Umlaufbahn.
Auch bei der Herausforderung, einen Menschen ins All zu befördern, hatte die Sowjetunion die Nase vorn: Am 12. April 1961 umrundete Juri Gagarin als erster Mensch die Erde, sein amerikanischer Kollege Alan Shepard folgte am 5. Mai – allerdings «nur» auf einer suborbitalen Bahn.
Kurz darauf verkündete US-Präsident John F. Kennedy den Wettlauf zum Mond: «Ich glaube, dass sich diese Nation zum Ziel setzen sollte, noch vor Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu bringen und ihn wieder sicher auf die Erde zurückzuholen.»
Die hierfür bereits 1958 geschaffene zivile Luft- und Raumfahrtbehörde, die NASA (National Aeronautics and Space Administration), berief 1960 von Braun zum Direktor des Marshall Space Flight Center in Huntsville, um ein geeignetes Trägersystem für den Mondflug zu entwickeln. In seinem Tross folgten 4670 Angestellte, die zuvor militärische Raketen konstruiert hatten.
Lange blieb umstritten, wie ein Mensch den Erdtrabanten erreichen sollte. Denn mit einer einzigen Rakete, die zum Mond fliegt, dort landet und dann wieder zur Erde zurückdüst, war das Ziel technisch kaum zu erreichen. Von Braun favorisierte, die Einzelteile des Mondraumschiffs in der Erdumlaufbahn zusammenzubauen. Durchgesetzt hatte sich schließlich – gegen den ausdrücklichen Rat des deutschen Ingenieurs – die technisch einfachere, aber für die Besatzung deutlich riskantere Variante mit einer Mondlandefähre, die von einer kompletten Einheit zur Umlaufbahn des Mondes katapultiert wird und erst hier – weit weg von der rettenden Erde – vom Trägersystem ab- und nach der Stippvisite auf dem Trabanten wieder ankoppelt.

... das Wetter
Erst nach schweren Rückschlägen, wie der Feuerkatastrophe vom 27. Januar 1967, als die Astronauten Edward White, Virgil Grissom und Roger Chaffee in ihrer Kapsel auf der Startrampe verbrannten, konnte am 16. Juli 1969 eine Saturn-5-Rakete Richtung Mond starten. In ihrem Gepäck: die Apollo-11-Besatzung Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins.
Nach diesem Gipfel sank der Stern des Raketenbauers. Die amerikanische Regierung verlor nach ihrem Triumph zunehmend das Interesse an der Mondfahrt. Das Apollo-Programm endete 1972, und viele Mitarbeiter im NASA-Hauptquartier in Washington, wohin von Braun 1970 versetzt wurde, sperrten sich gegen den «Ex-Nazi». Frustriert verließ er am 10. Juni 1972 die Raumfahrtbehörde und arbeitete als Vizepräsident bei der Raumfahrtfirma Fairchild in Germantown. Ende des Jahres 1976 ging er in den Ruhestand, ein halbes Jahr später starb Wernher von Braun in Alexandria bei Washington an Magenkrebs.
Drei Jahrzehnte nach dem Tod des Konstrukteurs träumen US-amerikanische Präsidenten wieder vom Mond – als Zwischenetappe für den großen Sprung zum Mars. Von Braun, der immer nach den Sternen greifen wollte, wäre vermutlich begeistert. Doch vielleicht wirken sich die Leistungen des Ingenieurs heute viel erdverbundener aus: Wernher von Brauns Technik realisierte nicht nur Massenvernichtungswaffen in Form nuklearer Mittelstrecken- und Interkontinentalraketen – sie ermöglichte auch die heute selbstverständliche Satellitenbeobachtung der Erde, die uns beispielsweise jeden Tag beim Wetterbericht präsentiert wird.

Die Frage der Schuld
Bei aller Wertschätzung für die großen Leistungen, die Wernher von Braun im Laufe seines Lebens erbrachte, muss man sich aber auch die Frage nach seiner persönlichen Schuld stellen. Wie kein Zweiter hat er der Menschheit das Tor zum Weltall geöffnet. Die Krönung seiner Karriere war nach eigenen Angaben der 21. Dezember 1968, als zum ersten Mal die von ihm konstruierte Saturn-5-Mondrakete bemannt zum Mond startete. Nicht nur für Wernher von Braun war ein Wunsch in Erfüllung gegangen. Doch der Weg zu diesem Ereignis und den anschließenden Mondlandungen war steinig und kostete viele Menschenleben. Die Trägerraketen der bemannten Raumfahrt basierten sowohl in der Sowjetunion als auch in den USA auf der deutschen A4-Rakete. Diese war das Ergebnis der militärischen Entwicklung. Die A4 wurde von Beginn an als Waffe konzipiert und war Träger ihrer todbringenden Nutzlast.
Trotz der Bewunderung von Brauns technischer und wissenschaftlicher Leistungen und seines Lebenswerkes bleibt die Frage unbeantwortet, wie viel er wirklich wusste und was er zu verantworten hat, wobei man aber immer berücksichtigen muss, dass er Teil eines autoritären Systems war.
Der amerikanische Psychologe Stanley Milgram schreibt in seinem Buch Das Milgram-Experiment: «Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung tut, was zu tun befohlen wird, ohne den Sinn und Gehalt der Handlung zu berücksichtigen und ohne durch das Gewissen eingeschränkt zu werden, solange der Befehl als Äußerung einer legitimen Autorität gilt.» Dies wurde durch die Experimente Milgrams eindrucksvoll bestätigt. Man kann also daraus folgern, dass das Verhalten von Wernher von Braun während des Zweiten Weltkrieges zwar falsch, aber nur allzu menschlich war. Man kann und sollte es aus ethischer und moralischer Sicht sicherlich verurteilen, sollte sich aber gleichzeitig davor hüten, mit dem Finger darauf zu zeigen. Denn wie man sich selbst in einer solchen Situation verhalten würde, steht in den Sternen und ist meist nicht vorhersehbar. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt wohl die innerliche Reife und Festigkeit zur Gehorsamverweigerung in einer derartigen Situation.
Zur Frage der Bedingungen in den Konzentrationslagern sagte Wernher von Braun später einmal: «Nein – gewusst habe ich es nie, was sich in den Konzentrationslagern abgespielt hat. Aber ich habe es geahnt, und in meiner Stellung hätte ich es in Erfahrung bringen können. Ich habe es unterlassen, und ich verachte mich deswegen.»
Dies zeigt, dass er sich durchaus eines Fehlverhaltens bewusst war, wobei er sich aber nur vorwirft, nicht besser recherchiert zu haben. Er behauptete gleichzeitig, nichts von den Vorgängen in den Konzentrationslagern gewusst zu haben, obwohl er diese des Öfteren besucht hatte. Am Lebensabend überkamen ihn aber auch andere Zweifel. Er hielt es für vordringlich, die Armut in den Entwicklungsländern zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund stellte sich Wernher von Braun selbstkritisch die Frage, ob er in seinem Leben wirklich immer das Richtige getan habe.
Abschließend noch ein Zitat von Stanley Milgram: «Es ist oft nicht so sehr die Wesensart eines Menschen, die seine Handlungsweise bestimmt, sondern die Eigenart der Situation, in der er sich befindet.»

Der Text ist entnommen aus: http://www.wissenschaft-online.de/artikel/876801 http://www.urbin.de/konstrukteure/braun.htm