Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №4/2008

Literatur

Heinrich Heine: Gedichte

Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

«Die Liebe muss sein platonisch»,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: «Ach!»

Der Domherr öffnet den Mund weit:
«Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.»
Das Fräulein lispelt: «Wieso?»

Die Gräfin spricht wehmütig:
«Die Liebe ist eine Passion!»
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen,
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

*****

Wie langsam kriechet sie dahin,
Die Zeit, die schauderhafte Schnecke!
Ich aber, ganz bewegungslos
Blieb ich hier auf demselben Flecke.

In meine dunkle Zelle dringt
Kein Sonnenstrahl, kein Hoffnungsschimmer;
Ich weiß nur mit der Kirchhofsgruft
Vertausch’ ich dies fatale Zimmer.

Vielleicht bin ich gestorben längst;
Es sind vielleicht nur Spukgestalten
Die Phantasien, die des Nachts
Im Hirn den bunten Umzug halten.

Es mögen wohl Gespenster sein,
Altheidnisch göttlichen Gelichters;
Sie wählen gern zum Tummelplatz
Den Schädel eines toten Dichters. –

Die schaurig süßen Orgia,
Das nächtlich tolle Geistertreiben,
Sucht des Poeten Leichenhand
Manchmal am Morgen aufzuschreiben.

*****

Die Wahlesel

Die Freiheit hat man satt am End’,
Und die Republik der Tiere
Begehrte, daß ein einz’ger Regent
Sie absolut regiere.

Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben;
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intriguen wurden getrieben.

Das Komitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret!
Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard’,
Die schwarz-rot-gold, verzieret.

Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.

Als einer jedoch die Kandidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: «Du bist ein Verräter!

«Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;
Du bist kein Esel, ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.

«Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.

«Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;
Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.

«Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel!
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.

«Ich bin kein Römling, ich bin kein Slaw’;
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.
«Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele,
Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
Mit ihren Säcken zur Mühle.

«Die Väter sind nicht tot! Im Grab
Nur ihre Häute liegen,
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.

«Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Nur einen fingerbreit weichen.

«O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht’ es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren!

«Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.

«Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.

«Und weil ich ein Esel, so rat’ ich euch,
Den Esel zum König zu wählen;
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.

«Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen! Es lebe, hurrah!
Der König vom Eselsgeschlechte!»

So spracht der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt’ er mit dem Schwanze.

Aus: Heinrich Heines sämtliche Werke in vier Bänden. Hg. von O. Lachmann. Bde. 1, 2. Leipzig: Druck und Verlag von Philipp Reclam Jun. o. J.