Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №3/2008

Wissenschaft und Technik

Warum der Mythos so oft über die Wahrheit siegt

Grippeimpfung macht krank, und Saddam Hussein ist schuld am 11. September 2001. Viele Verschwörungs- und andere krude Theorien schwirren durch die Welt – um sie auszuräumen, stellen die Betroffenen oft Fakten und Mythen gegenüber. Genau falsch, hat nun ein Psychologe herausgefunden.

Hamburg – Das «Center for Disease Control and Prevention» hatte sich richtig Mühe gegeben. Die US-Behörde zur Seuchen- und Krankheitsvorsorge erstellte ein hübsch illustriertes Flugblatt, mit dem es für mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Grippe-Schutzimpfungen warb – vor denen viele Leute noch zurückschrecken. «Fakten und Mythen zur Schutzimpfung» stand als Überschrift auf dem Blatt, und es listete ebendiese fein säuberlich untereinander auf. Unter «Leute können an Grippe sterben» (Fakt) war dann etwa «Die Nebenwirkungen einer Schutzimpfung sind schlimmer als die Grippe» (Mythos) zu lesen. Der Fakt, dass nicht jeder die Impfung machen lassen kann, fand sich direkt aufgelistet unter dem Mythos, nur ältere Leute bräuchten die Schutzmaßnahme.

Gut gemeint – doch wirklich kontraproduktiv, fand der Psychologe Norbert Schwarz von der University of Michigan in einer Studie heraus, die er in der «Washington Post» präsentierte. Schwarz zeigte das Flugblatt einer Gruppe von freiwilligen Probanden. Das erstaunliche Ergebnis: Nur eine halbe Stunde nach der Lektüre des Flugblattes konnten sich 28 Prozent der älteren Leser nicht mehr korrekt erinnern. Sie nahmen nun an, die falschen Aussagen seien wahr gewesen. Drei Tage später lag dieser Wert schon bei 40 Prozent.

Jüngere Probanden schnitten zunächst besser ab. Doch nach drei Tagen erinnerten sie sich auch nicht mehr besser als ältere Testpersonen.

Es kam aber noch schlimmer für die wohlmeinende Gesundheitsbehörde: Nun glaubten Versuchsleser aus allen Altersgruppen plötzlich auch, die falschen Informationen seien ihnen vom «Center for Disease Control» untergejubelt worden.

Die Forschungsergebnisse sind aufschlussreich für Regierungen, Behörden, aber auch Unternehmen, die weitverbreitete Mythen aus der Welt schaffen wollen – über Produkte, Ereignisse oder Verhaltensweisen. In der Regel versuchen sie ihnen zu begegnen, indem sie Fakten und Mythos gegenüberstellen oder explizit warnen, eine bestimmte Behauptung sei ein Mythos.

Damit wiederholen sie jedoch automatisch gerade die fehlerhafte Information. Wenn Menschen die­se Aussage immer wieder hören, bekommen sie das Gefühl: «Das habe ich doch schon einmal gehört» – was sie dazu verleitet, sie als richtig anzunehmen. Oft versuchen sie dann, dies auf eine glaubwürdige Quelle zurückzuführen, zeigt Forscher Schwarz. Das kann im Extremfall dazu führen, dass sie die falsche Information just der Institution zuschreiben, die den Mythos eigentlich aus der Welt schaffen wollte.

Schwarz zieht auch aktuelle politische Mythen zur Illustration seiner These heran. Noch immer glauben etwa viele Amerikaner, Saddam Hussein sei in die Planung der Anschläge vom 11. September verwickelt gewesen, obwohl es dafür keinerlei Beweise gibt. Die Bush-Regierung hatte dies vor dem Einmarsch in den Irak wiederholt behauptet. Als dann die Berichte von Geheimdiensten oder Untersuchungen der Opposition diesen Mythos beseitigen wollten, wiederholten sie ihn oft und verankerten ihn so unfreiwillig weiter in der breiten Öffentlichkeit – wie US-Senatorin Mary Landrieu, die in einer Anhörung sagte: «Saddam Hussein hat die Vereinigten Staaten nicht attackiert, das war Osama Bin Laden.» Die Erinnerung an den Mythos Saddam sei so wieder lebendiger geworden als die an den Fakt der Verantwortung Bin Ladens, sagt laut «Washington Post» die Psychologin Ruth Mayo, die ähnliche Forschungen wie Schwarz durchgeführt hat.

Wer einen Mythos aus der Welt schaffen will, steht also vor einer echten Herausforderung. Bloßes Schweigen hilft auch nicht – denn dann halten Menschen laut Testergebnissen die gewonnene Information für umso glaubwürdiger. Was also tun? In einem Beitrag über seine Forschungsresultate in der Fachzeitschrift «Advances in Experimental Social Psychology» schreibt Psychologe Schwarz: «In den meisten Fällen ist es am besten, den Mythos gar nicht mehr anzusprechen und sich ausschließlich auf die Fakten zu konzentrieren, die dagegen sprechen. Je mehr die Zuhörer mit den Fakten vertraut gemacht werden – und je weniger sie vom Mythos hören – desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich durchsetzen.»

Der Text ist entnommen aus:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,504087,00.html