Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №10/2007

Sonderthema

Lola (1981)

Eine Stadt in Deutschland. Deutschland im Herbst 1957. Wirtschaftswunder. Adenauer-Ära. Eine Stadt im Aufwind des Wiederaufbaus. Jeder, so scheint es, hat einen Nutzen davon. Vor allem Herr Schuckert, der erfolgreiche, joviale, lebenslustige Baulöwe der Stadt. Er ist der heimliche Herrscher. Er hat alle in der Tasche und steckt das Meiste in seine Tasche. Alle Honoratioren1 tanzen nach seiner Pfeife, denn Schuckert lässt sie teilhaben am Bauboom, so sind alle zufrieden.

Die Honoratioren der Stadt treffen sich nächstens heimlich in der Villa der Frau Fink, um sich zu amüsieren. Madame und ihre Mädchen sind hingebungsvoll um das Wohlergehen ihrer Gäste bemüht. Auch hier gibt Herr Schuckert den Ton an.

Star der «Villa Fink» ist Lola, die eigentlich Marie-Louise heißt und eine kleine Tochter, Mariechen, hat. Die Männer umschwirren Lola, wenn sie tanzt und singt. Ein verführerisches Wesen. Und Herr Esslin begleitet sie – nicht nur am Klavier. Der kleine Angestellte im Baureferat der Stadt ist stets in Lolas Nähe zu sehen. Doch Schuckert hat das Geld. Ihn kann keiner überbieten. Der kleine Herr Esslin schon gar nicht. Esslin, der Träumer, Humanist, Moralist und Kriegsgegner, ist verbittert über all das um ihn herum. Doch er weiß, was in dieser Stadt gespielt wird. Er kann warten. Der Tag der Abrechnung wird kommen.

Alle sprechen über Herrn von Bohm, den neuen Baudezernenten2 der Stadt. Er ist anders als sein Vorgänger. Er ist nicht korrupt, so sagt man. Wird er sich anpassen, das Spiel in der Stadt mitzuspielen?

Lola wird durch das Gerede aufmerksam und macht von Bohm auf sich aufmerksam. Außerhalb der Villa Fink. Herr von Bohm verliebt sich. Er weiß nicht, was Lola im Geheimen macht. Und Lola mag Herrn von Bohm, weil er sie ernst nimmt und mit ihr singt bei den gemeinsamen Spaziergängen. Herr von Bohm möchte Lola mit Honoratioren2 der Stadt in seiner Wohnung bekannt machen. Aber Lola kommt nicht. Stattdessen ein Abschiedstelegramm: «Es war schön, mit Ihnen zu singen. Aber jedes Lied hat ein Ende. Marie-Louise.»

Herr Esslin ist verbittert über Schuckert und die anderen. Er will Herrn von Bohm etwas von der Stadt zeigen und führt ihn zur Villa Fink. Herr von Bohm sieht Lola, und Lola sieht ihn. Lola beginnt mit einem aggressiven, selbstzerstörerisch-wilden Strip.

Von Bohm will nun Schuckert und die anderen zerstören – und die Hure dazu. Er will «das Komplott der guten Familien» aufdecken, das Spiel nicht mehr mitspielen. Der Eklat ist da. Ein Skandal droht. Die Honoratioren sind entsetzt. Selbst Herrn von Bohms «Komplize» Esslin ist verstört. Doch Herr Schuckert hat eine Idee. Und die Idee ist gut. So bekommt Lolas Tochter Mariechen einen adeligen Vater. Lola gehört jetzt ebenso «dazu» wie ihr Mann Herr von Bohm, der die Spielregeln einhalten wird. Esslin arbeitet für Schuckert, und Herr Schuckert bekommt sein Bauprojekt.

Die Welt in der Stadt ist wieder in Ordnung. Deutschland im Herbst 1957. Und Adenauer wirbt von den Plakat-Wänden für die Wahl: «Keine Experimente!»

Mit Lola setzt Rainer Werner Fassbinder seine mit der Ehe der Maria Braun begonnene Auseinandersetzung mit der Nachkriegszeit und der Ära Adenauer fort.

Dreiecksgeschichte um die Hure Lola, die vom korrupten Bauunternehmer bezahlt und vom weltfremden Baudezernenten geliebt wird. Am Ende siegen falsche Moral und Korruption: Der Moralist heiratet die Hure. Das Aufwärtslebensgefühl jener Jahre ist recht treffend eingefangen, störend wirken allerdings Dialogwiederholungen und Selbstzitate, doch zur melodramatischen Abhandlung kommen ironisch-komische Momente, die genug Unterhaltsamkeit enthalten, um so die falsche Moral der fünfziger Jahre zu entlarven und Denkanstöße über Fehlentwicklungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu liefern.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.deutsches-filmhaus.de/filme_einzeln/f_einzeln/fassbinder/fassbinder_k-l/lola.htm


1Ho|no|ra|ti|or, der; ...oren, ...oren <meist Pl.> [zu lat. honoratior, Komp. von: honoratus= geehrt]: (bes. in kleineren Orten) aufgrund seines sozialen Status besonderes Ansehen genießender Bürger [der unentgeltlich in gemeinnützigen Organisationen tätig ist].

2De|zer|nent, der; -en, -en [zu lat. decernens (Gen.: decernentis), 1. Part. von: decernere= entscheiden]: Sachbearbeiter mit Entscheidungsbefugnis bei Behörden u. Verwaltungen.